Schewat/ Paraschat Beschalach

Raw Frand zu Parschat Ha'asinu 5770

Am Rosch Haschana richten wir uns an unseren Vater, unseren König

Parschat Ha’asinu beinhaltet den berühmten Passuk: "Wie ein Adler sein Nest weckt, über seinen Jungen schwebt, seine Flügel ausbreitet, sie nimmt, sie auf seinen Fittichen trägt." [Dewarim 32:11].

Das Lied von Ha’asinu, geschrieben am letzten Tag von Mosche Rabbejnus Leben, beschreibt unter anderem die Beziehung zwischen dem jüdischen Volk und Haschem. Raschi arbeitet beim oben zitierten Pasuk folgende Metapher aus. Der Adler ist ein riesiger Vogel. Aufgrund seiner Grösse und seiner Kraft gleicht er aus der Nähe betrachtet, eher einem Tier als einem Vogel. Die Flügelspannweite eines Adlers ist furchteinflössend! Wenn ein Adler zu seinem Nest zurückkehrt und über den kleinen Adlerjungen schwebt, bemüht er sich sehr, die jungen, unreifen Vögel nicht zu verängstigen. Aus Mitleid mit diesen kleinen Vögeln, schiesst der Adler nicht plötzlich auf sein Nest hinab. Vielmehr schlägt er mit seinen Flügeln gegen die Zweige, sodass die kleinen Vögel wissen, dass ihr Vater/ ihre Mutter kommt. Die kleinen Adlerjungen werden gewarnt. Sie können sich vorbereiten, damit die Landung des Adlers ihnen nicht schaden wird.

So behandelt Haschem auch uns. Schliesslich ist Er unser Vater. Am Rosch HaSchana existiert ein implizites Paradox, welches in den Worten Awinu Malkejnu (Unser Vater, unser König) ausgedrückt wird – Er ist unser Vater, unser König. Unser Verhältnis mit dem Allmächtigen am Rosch HaSchana wird mit diesen zwei fast gegensätzlichen Begriffen beschrieben. Er ist sowohl Awinu als auch Malkejnu.

"Unser König" ist ein sehr beängstigendes Konzept. Ein König hegt gegenüber seinen Dienern Erwartungen. Ein König toleriert das Fehlverhalten seiner Diener kaum. Was uns im Verlauf des nächsten Jahres geschehen wird, wird in den zehn Tagen zwischen Rosch HaSchana und Jom Kippur bestimmt.

Der Satmarer Rebbe sz"l bemerkte einmal auf den Passuk: "Blaset das Schofar am Neumondstag, zur Zeit wenn er (der Mond) versteckt ist (bakesseh), der bestimmt ist für unsern Festtag" [Tehillim 81:4] Rosch HaSchana ist der einzige Jom Tow, an welchem der Neumond noch nicht sichtbar ist. Da Rosch HaSchana auf den ersten Tischrej fällt, wird der Festtag gefeiert, wenn der Mond noch verborgen ist. Der Satmarer Rebbe erklärt die tiefere Bedeutung des “versteckten“ Aspektes von Rosch HaSchana. Nämlich, dass wir erst am Ende des nächsten Jahres wissen werden, was für ein Rosch HaSchana wir dieses Jahr hatten.

Während der zehn Busstage, fragen mich die Leute oft: "Nu, wie war Rosch HaSchana?" Meine übliche Antwort ist " Wie Rosch HaSchana war – das werden wir erst später während des Jahres sehen." Am Erew Rosch HaSchana, versuche ich meiner Frau zu sagen: „Baruch Haschem, wir haben es geschafft!“ Doch im Voraus wissen wir nicht, wie unser Jahr sein wird. Dies ist sehr beängstigend. Bis zum Sonnenuntergang am Erew Rosch HaSchana kann man noch nicht wissen, wie das zu Ende gehende Jahr war. Bis dann ist es "bakesseh" (verdeckt). Dies ist der Malkejnu (unser König) - Aspekt von Rosch HaSchana.

Raw Chajim Schmulevitz sagte einmal, dass wir manchmal einen alten Menschen mit einem schwachen Immunsystem sehen, der sich im Winter erkältet, daraufhin eine Lungenentzündung erwischt und daran stirbt. Man neigt dazu, seinen Tod als Ereignis anzusehen, das am "Rosch Chodesch Schewat" begann, sich am fünfzehnten Schewat verschlimmerte, bis er schliesslich am Ende des Monats starb. Solche Überlegungen sind falsch. Der alte Mann erkältete sich am Rosch HaSchana. Dann wurde bestimmt, was später im Winter geschehen würde. Dies ist das Beängstigende von Rosch HaSchana. Dies ist "Malkejnu" (unser König) – der Richtspruch, welchen der Allmächtige als König fällt.

Doch wir dürfen nie vergessen, dass der Allmächtige auch Awinu (unser Vater) ist. Wie Raschi sagt, Er ist wie ein Adler, der Mitleid mit seinen Jungen hat. Er ist der Vater, der uns liebt. Es gibt keinen Vater auf dieser Welt, der sein Kind mehr liebt als Haschem uns. Wir neigen dazu, dies zu vergessen.

Kürzlich hörte ich eine echte Geschichte: Ein Vater hatte einen Sohn, der (wie es nur allzu oft geschieht) als Junge Probleme hatte. Der Sohn benahm sich nicht wie er sollte und bereitete seinem Vater viel Kummer. In der Hoffnung, seinen Sohn auf den richtigen Weg zu bringen, schickte ihn sein Vater nach Erez Jisrael. Er hoffte, dass das Heilige Land ihn irgendwie verbessern würde. In Israel besuchte der Sohn einen Psychologen, der mit dem Jungen Erfolg hatte. Der Vater besuchte den Sohn im gleichen Jahr und beschloss, selber mit dem Psychologen zu sprechen, um zu hören, wie es seinem Sohn ging. Der Psychologe erklärte dem Vater, dass die Schwierigkeiten mit seinem Sohn auf ungelöste Probleme zurückzuführen seien, die er (der Vater) mit seinem eigenen Vater hatte.

Er hörte, was der Psychologe sagte und begriff es. Doch als er nach Amerika zurückkam, unternahm er gar nichts. Einige Monate später verlor ein Freund des Vaters dieses Jungen seinen eigenen Vater und sass Schiw’a. Der Vater ging den Trauernden besuchen. Der Trauernde sagte: "Ich habe den Menschen verloren, der mich am meisten geliebt hat. Niemand liebte mich wie mein eigener Vater."

Als der Vater mit dem Problemsohn dies hörte, machte dies einen grossen Eindruck auf ihn. Wie hätte er sich gewünscht, dass er das gleiche über seinen eigenen Vater hätte sagen können. Er wünschte sich einen Vater zu haben, der ihn liebte. Er beschloss, das nächste Mal, wenn der israelische Psychologe nach Amerika kommen würde, einen Termin abzumachen, um ihn mit seinem eigenen Vater zu besuchen, damit sie an ihren Problemen arbeiten könnten. Und so geschah es. Der Psychologe kam nach Amerika. Der Vater ging zu seinem eigenen Vater – einem europäischen Juden, der den Weltkrieg überlebt hatte – und sagte "Ich will mit dir zu einem Psychologen gehen." Er erklärte, "Unsere Beziehung hat nun schon einige Jahre gelitten. Vielleicht können wir etwas tun, um sie zu verbessern."

Zu seiner grossen Überraschung stimmte der Vater zu, und der “Grossvater” und der “Vater” gingen zum Psychologen. Bei jener Sitzung begann der “Grossvater” seine Lebensgeschichte zu erzählen – was vor, während und nach dem Krieg geschah, wie er Mitglieder seiner Familie vor dem Tod rettete und so weiter – der „Vater“ hatte plötzlich eine wunderbare "Erleuchtung“. Er wandte sich an seinen Vater und sagte "Ich wusste dies nie über dich! Du bist ein Held! Ich wusste dies nie. Das einzige, das ich über dich wusste, war, dass ich vor dir Angst hatte."

Der "Grossvater" wandte sich an seinen Sohn und sagte, "Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt." Jene Worte, nach welchen sich der Sohn (heute ein Mann mittleren Alters) das ganze Leben gesehnt hatte, hörte er nun von seinem eigenen Vater. Dieser "Vater" hatte dann eine noch grössere Erleuchtung: "Wenn mein Vater aus Fleisch und Blut mich so sehr liebt, wie viel mehr liebt mich dann der Ribono schel Olam (Herr der Welt)!" Diese Erkenntnis änderte das Verhältnis dieses Menschen sowohl zu seinem Vater als auch zu seinem Vater im Himmel.

Wenn wir die beängstigendsten Tage des Jahres angehen, da alles, was während des Jahres geschehen wird, entschieden wird – obgleich wie wir voller Angst und Ehrfurcht sein müssen, lasst uns nicht vergessen, dass Er nicht nur unser König ist, sondern auch unser Vater. Er ist ein Vater, der uns liebt und uns zurück will. Er streckt uns seine Hand entgegen und wartet auf unsere Reaktion. „Sucht den Herrn, wenn Er sich finden lässt, ruft Ihn an, wenn Er nahe ist!“ (Jeschajahu, 55,6)

Wie jeder Vater, will auch Er uns zurücknehmen. Er wartet nur, dass der Sohn sagt: "Vater, ich will dass die Dinge besser stehen zwischen uns. Es tut mir leid, dass ich nicht deinen Erwartungen entsprochen habe." Welcher Vater würde seinen Sohn unter diesen Umständen nicht zurücknehmen? Haschem ist mitfühlender und gnädiger als alle anderen Väter, die wir kennen. Lasst uns die Gelegenheit nicht verpassen, zu unserem Vater im Himmel zurückzukehren. Er wird mit uns Erbarmen haben, "wie sich ein Vater seiner Kinder erbarmt."

Mögen wir alle für ein Jahr der guten Familienbeziehungen, ein Jahr des Wohlstands, ein Jahr der guten Gesundheit, ein Jahr mit Frieden über Israel und ein Jahr, welches das Kommen des Maschiach bringt, eingeschrieben werden. Amen.



Rav Frand, Copyright © 2010 by Rav Frand und Project Genesis, Inc und Verein Lema'an Achai / Jüfo-Zentrum.

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