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Den Gang wechseln - Rav Ciner zu Paraschat Wa'etchanan - Nachamu 5780  -  Beitrag 1

Den Gang wechseln

Dieser Schabbat, an dem wir Paraschat Wa'etchanan leinen, ist der Schabbat nach Tisch’a BeAw – genannt "Schabbat Nachamu". Nach der Trauer über die Zerstörung des Tempels lesen wir (in der Haftara) die tröstlichen Worte des Propheten Jeschajahu. "Nachamu, Nachamu Ami - seit getröstet, seit getröstet mein Volk -  sagt euer G"tt. (40:1)

Nachdem wir die dreiwöchige Trauerperiode beendet haben, die mit dem Leinen von Paraschat Chason des letztwöchigen Schabbat und dann mit Tisch’a BeAw selbst den Höhepunkt erreicht hat, wechseln wir nun mit dem Lesen von "Nachamu"  zum Modus der Ge’ula (Erlösung) über.

Lesungen können leicht abgewechselt werden – Gefühle sind jedoch viel, viel schwerer. Die Länge des Exils hat verursacht, dass Maschiach fast wie surrealistisch erscheint.

Das Gefühl einer gewissen Verzweiflung drückt sich in Wirklichkeit in einer greifbaren, halachischen Weise aus. Die Kohanim (Priester), die im Bejt Hamikdasch (Tempel) dienten, wurden in 24 Mischmarot (Schichten) aufgeteilt; jede Schicht von ihnen diente in einem 24-wöchigen Turnus eine Woche lang. Jede Schicht wurde daraufhin in sieben Batej Aw (Familien) unterteilt, die einen Tag pro Woche Dienst hatte. Nachdem ein Kohen, der ein berauschendes Getränk eingenommen hat, den Dienst nicht leisten darf, dürfen deshalb Kohanim während ihrer Schicht keinen Wein trinken.

Der Talmud (Ta’anit 17a) zeigt auf, wie dieses Gesetz in unsere Tagen Gültigkeit hat. Die Chachamim (unsere Weisen) lehrten: ein Kohen, welcher wusste, dass seine Vorväter zu den Kohanim gehörten, die im Tempel dienten, jedoch nicht weiss, in welcher Woche oder an welchem Tag sie dienten, darf das ganze Jahr hindurch keinen Wein trinken. Der Grund dafür ist, dass der dritte Tempel rasch aufgebaut werden wird und es gerade seine Woche sein könnte, in dem er den Dienst zu leisten hat! Er muss zu jeder Zeit bereit sein und kann deshalb das ganze Jahr hindurch keinen Wein trinken.

Rabbi Jehuda Hanassi widerspricht sowohl dieser Argumentation als auch deren halachischer Auswirkung. Wer kann mit Bestimmtheit sagen, dass der Turnus derselbe sein wird, wenn der dritte Tempel aufgebaut wird? Auch werden möglicherweise bei der Einweihung des Tempels alle Kohanim den Dienst verrichten. Demnach sollte es allen Kohanim, ungeachtet ihres Dienst-Turnus in der Vergangenheit, verboten sein, während des ganzen Jahres Wein zu trinken.

Rabbi Jehuda Hanassi erklärt deshalb, dass die Tatsache, dass der Tempel schon so viele Jahre in Ruinen liegt, den Kohanim erlaubt, in der jetzigen Zeit Wein zu trinken – wir nehmen halachisch nicht die Möglichkeit eines plötzlichen Wiederaufbaus des Tempels in Betracht.

Gemäss wem, schliesst die Gemara, dürfen die Kohanim in der heutigen Zeit Wein trinken? Gemäss der Meinung von Rabbi Jehuda Hanassi.

Wenn dies die vorherrschende Meinung während der Zeit von Rabbi Jehuda Hanassi war, wie sollten wir dann, tausendachthundert Jahre später, unsere Hoffnung aufrechterhalten? Wie können wir ein optimistisches Gefühl haben, dass dies das Jahr der Erlösung und der Wunder sein wird, wie wir sie seit dem Churban (Zerstörung) nicht erlebt haben?

Der Darchej Mussar bringt von Rav Mosche Rosenstein sZl., dem Maschgiach der Lomzer Jeschiwa, die folgende Erklärung:

Wenn ein Mensch die Ankunft eines Pakets erwartet und es trifft nicht ein, dann wird sein Vertrauen mit jedem Tag, der vergeht, abnehmen. Es sollte doch schon vor einer Woche hier sein! Wenn es nicht eintraf, als es eintreffen sollte, dann wird es aller Wahrscheinlichkeit nach, jetzt, da dieser Zeitpunkt schon längst vorbei ist, nicht mehr ankommen.

In einer anderen Situation jedoch sind unsere Gefühle gerade gegenteilig. Nehmen wir an, dass ein Mensch eine Münzensammlung hat – über die Jahre hinweg hat er Zehntausende von Münzen angehäuft. Er hat peinlich genau aufgezeichnet, welche Münzen von jedem Jahr und von welcher Ausgabe er besitzt. Er folgt gewissenhaft allen Nachrichten, um informiert zu sein, welche gefragt und am meisten wert sind. Eines Tages hört er etwas höchst Unglaubliches. Ein anderer Sammler ist bereit, Hunderttausende von Dollars für eine gewisse Münze zu bezahlen, und er weiss, dass er genau diese Münze besitzt. Er ist voller überschäumender Freude, hat jedoch eine grosse Aufgabe vor sich. Er muss seine gesamte Sammlung durchforsten, um diese einzelne Münze zu finden. Er krempelt seine Ärmel hoch und beginnt, alle durchzuschauen, eine nach der anderen.

Seine Haltung ist eine ganz andere. Er schaut nicht auf den grösseren Haufen, den er schon durchwühlt hat und glaubt, dass er die Münze nie finden wird. Er weiss absolut, dass sie sich bei ihm befindet! Vielmehr sieht er den kleineren Haufen, den er noch nicht durchschaut hat, mit immer grösserem Vertrauen an, dass er "schon fast dort angelangt ist".

Wir warten auf Maschiach seit Tausenden von Jahren. Wir hofften jeden Tag, dass er kommen werde, aber sobald dieser Tag vorbeiging, wurde uns schmerzlich klar, dass dies nicht der Tag war, den Haschem zur Zeit der Schöpfung als den Tag der letztendlichen Erlösung festgelegt hatte. Wir entfernen uns nicht weiter vom Tag, wir kommen ihm immer näher. Der Haufen der verbleibenden Tage wird immer kleiner und kleiner.

Wir befinden uns jetzt fast am Ende des Jahres 5780, und er muss ganz sicher vor dem Jahr 6000 kommen. Wir selbst haben die chaotische Beschleunigung der Geschichte, die Maschiach vorangeht, erlebt. In letzter Minute werden die hektischen Details vollendet, um den Weg für die Endphase für die Realisierung des Ziels der Menschheit zu schaffen.

 

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Die Bearbeitung der Beiträge dieser Woche erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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