Schewat/ Paraschat Beschalach

Rav Frand zu Parschat Wajakhel 5779

Frauen symbolisieren die Kraft der Erneuerung

Der Passuk (Vers) sagt: „Und es kam jeder, den sein Herz dazu bewog; und jeder, den sein Sinn dazu antrieb, brachte die Spende zum Verfertigung des Stiftzeltes“ [Schemot 35:21]. Die Menschen begannen, das Material zu bringen, nachdem Mosche alle aufgerufen hatte, um Spenden für das Stiftzelt zu bringen. „Und die Männer kamen samt den Frauen (al haNaschim)“ [35:22]. Raschi erklärt, dass diese ungewöhnliche Ausdrucksweise bedeutet, dass die Männer MIT den Frauen kamen (und nicht die Frauen alleine).

Der Da’at Sekejnim miBa’alej Hatossafot zitiert jedoch eine andere Erklärung. Der Passuk (Vers) [35:22] lässt klar erkennen, dass es sich bei den Spenden um die verschiedenste Stücke von Frauenschmuck handelte. Der Da’at Sekejnim kommentiert: „und die Frauen machten trotz allem mit und waren mit Freude erfüllt, für den himmlischen Dienst zu spenden“. Der Passuk erklärt, dass die Männer die Frauen zum Mischkan (Stiftzelt) mitnahmen, um das Gold von ihren Schmuckstücken zu spenden. Die Männer dachten eben, dass die Frauen zurückhaltend damit sein würden. Die Frauen jedoch spendeten gerne. Der Da’at Sekejnim fügt hinzu, dass die Frauen deshalb am Rosch Chodesch, am Neumondstag (der Beginn eines neuen Mondmonats), als Belohnung von der Arbeit freigestellt sind. Der Brauch, dass Frauen am Rosch Chodesch nicht arbeiten müssen, wird auch im Schulchan Aruch erwähnt [Orach Chajim 417:1]. Zu welchem Zeitpunkt erhielten die Frauen eigentlich diesen Feiertag? Als sie bereitwillig ihren Schmuck für den G’ttesdienst, als das Mischkan gebaut wurde. gegeben hatten.

Ausserdem erklärt der Da’at Sekejnim, dass die Männer beim goldenen Kalb den Frauen den Schmuck mit Gewalt genommen hatten. Die Frauen hatten sich geweigert, etwas für das goldene Kalb zu geben. Beim Bau des Mischkan hingegen, gaben die Frauen ihren Schmuck aus freien Stücken und mit grosser Begeisterung.

Der Gegensatz wird noch klarer, wenn man im Midrasch nachliest. Der Midrasch sagt nämlich, dass viele Männer in Wirklichkeit zögerten, ihr Geld zu geben. Die Frauen hingegen waren alle enthusiastisch.

Der Da’at Sekejnim führt aus, dass ursprünglich speziell der Rosch Chodesch Nissan den Frauen als arbeitsfreier Feiertag gegeben worden war, weil das Mischkan am Rosch Chodesch Nissan eingeweiht wurde. Der Brauch, an allen Rosche Chodesch keine Arbeit zu machen, so der Da’at Sekejnim, geht eigentlich auf diesen ursprünglichen Feiertag zurück.

Warum ist ausgerechnet der Rosch Chodesch ausschliesslich den Frauen als Feiertag gegeben worden?

Ich sah eine wunderschöne Erklärung im Sefer (Buch) Schemen Hatov von Rabbi Dov Weinberger, der diese Frage beantwortet. Später in der Parascha sagt der Passuk: „Und er fertigte das Becken und sein Gestell aus Kupfer an, aus den Spiegeln der Frauenscharen, die sich am Eingang des Stiftzeltes versammelt hatten [Schemot 38:8].“ Dazu erklärt Raschi wunderschön: die Frauen Israels hatten diese Spiegel dazu benützt, um sich schön zu machen. Anfangs weigerte sich Mosche, diese Spiegel für den Gebrauch im Mischkan entgegenzunehmen, weil er meinte, dass sie ein Werkzeug des Jezer Hara (des schlechten Triebes) seien. G’tt wies dieses Argument jedoch zurück und befahl ihm, die Spiegel anzunehmen: „Diese sind für Mich mehr wert als alles andere.“

Raschi erklärt, warum diese Spiegel für G’tt so wertvoll waren. In der ägyptischen Sklaverei hatten die Männer alle Hoffnung verloren. Sie wollten nicht mehr mit ihren Frauen zusammenleben. Sie wollten keine Kinder mehr bekommen. Der Gedanke, dass ihre Kinder in die Sklaverei hineingeboren, damit leben und auch als Sklaven sterben würden, war für sie unerträglich. Wie jedoch der Midrasch in Schir Haschirim beschreibt, gingen die Frauen hinaus auf die Felder, und benützten diese Spiegel, um sich schön zu machen. Dann überredeten und überzeugten sie ihre Männer, mit ihnen zusammen zu leben und Kinder zu haben. Diese Spiegel verkörperten Klal Israel (das Volk Israel). Ohne diese Spiegel, ohne die Verschönerung, das Makeup dieser Frauen, gäbe es keine jüdische Nation. Deshalb bestand G’tt darauf, dass diese wertvollen Spiegel zum Bau des Mischkan verwendet wurden.

Wir sehen, dass diese Frauen ihren Glauben an die Erlösung zeigten. In einer Zeit, in der alles düster und hoffnungslos erschien, in einer Situation ohne Zukunft, in einer Zeit, in der es sinnlos schien, Kinder zu haben, hielten diese Frauen den Glauben an die Zukunft aufrecht. Die Frauen hielten den Traum von der Wiedergeburt am Leben. Während die Männer niedergeschlagen waren und aufgeben wollten, waren es die Frauen, die fest blieben und sagten: “Wir machen weiter!“

Diese Niedergeschlagenheit der Männer, war gemäss einigen Rischonim,  nach der Sünde des goldenen Kalbes, als sie das Mischkan in Angriff nahmen. Die Männer sagten: "Wir wollen kein Mischkan." Das Mischkan verkörperte für das jüdische Volk den Niedergang von einer hohen geistigen Stufe. Ohne die Sünde des goldenen Kalbes wäre nämlich das Mischkan nicht nötig gewesen. Das ganze Lager wäre von der Schechina, der Präsenz G'ttes, durchdrungen gewesen (siehe Seforno Schemot 20:20-22 und 25:9). Innerhalb des jüdischen Volkes wäre keine Aufteilung auf das "Machane Schechina - Lager der g'ttlichen Präsenz", das "Machane Lewija - Lager der Leviten" und das "Machane Jisrael - Lager der Israeliten" nötig gewesen. Das ganze Lager wäre ein "Lager der g'ttlichen Präsenz" gewesen. Wir wären auf einer derart hohen geistigen Stufe geblieben, dass G'tt sich nicht auf den Bereich des Mischkans hätte zurückziehen müssen.

Nach der Sünde des goldenen Kalbes gab G'tt jedoch bekannt, Er könne nicht mehr im ganzen Lager weilen. Ein spezieller Ort war nötig geworden: das Mischkan. Deshalb verkörperte das Mischkan für die Männer nicht geistige Höhe, sondern geistigen Rückfall und Niedergang. Die Männer hatten keine Freude, für das Mischkan zu spenden. Sie zögerten, dafür ihr Gold und Silber herzugeben.

Die Frauen jedoch setzten sich wieder durch. Sie machten freudig mit und sagten: "Wir müssen weitermachen. Seid nicht verzweifelt. Seht nicht nur das Negative. Wir brauchen eine Zukunft. Wir brauchen eine Wiederbelebung. Wir brauchen eine Renaissance." Dies ist eine besondere Eigenheit von Frauen. Sie zeigten diese Eigenschaft in Ägypten, sie zeigten sie beim goldenen Kalb und sie zeigten sie beim Mischkan.

Der Feiertag von Rosch Chodesch, so sagen unsere Weisen, ist die geeignete Belohnung für diese Geisteshaltung. Der Rosch Chodesch verkörpert Wiedergeburt, Renaissance und Erneuerung.

„Hachodesch hase lachem Rosch Chodaschim…“ [Schemot 12:2], die einfache Erklärung ist: „Dieser Monat ist für euch der Anfang aller Monate ..." Nach dieser Erklärungsweise würde in diesem Vers zweimal das gleiche stehen (siehe zweiten Teil des Verses: „…er sei euch der erste unter den Monaten des Jahres“). Deshalb erklären unsere Weisen (Raschi zur Stelle) das Wort Chodesch (Monat) kommt vom Wort Chidusch (Erneuerung); G-tt zeigte Mosche am Rosch Chodesch Nissan den Mond bei seiner Erneuerung und sprach zu ihm: „Immer, wenn der Mond sich (in dieser Form) erneuert, sei euch der Anfang des Monats.“ Der Mond wird kleiner und kleiner - bis zu einem Punkt, an dem wir glauben, er sei verschwunden. Trotzdem kehrt er zurück, neu und frisch. Unsere rechtschaffenen Frauen verkörpern diese Kraft des jüdischen Volkes. Deshalb ist es ein gebührender Lohn, dass sie speziell den Rosch Chodesch als ihren eigenen Feiertag begehen dürfen.

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Midrasch: Erklärung zur Torah der Mischnah- und Talmudgelehrten.
  • Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); "Vater aller Torahkommentare".
  • Rischonim („die Ersten“): Torahgelehrte zwischen dem 11. und dem 16. Jahrhundert.
  • Da’at Sekejnim miBa’alej Hatossafot: Chumascherklärung der Ba’alej Tossafot („Tossafisten“): Talmuderklärer des 12. und 13. Jahrhunderts.
  • Seforno: Rav Ovadia Seforno (1470 – 1550); Rom und Bologna, Italien; klassischer Chumascherklärer.
  • Schemen HaTov: Rabbi Dov Weinberger; zeitgenössischer Autor; Rabbiner in Brooklyn, New York.

 

Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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