Raw Frand zu Parschat Mischpatim 5769
Dem Feind helfen, die Last seines Esels abzuladen
Die Kommentatoren bemühen sich, den folgenden Pasuk in unserer Parscha auf eine einfache Art zu erklären: "Wenn du den Esel deines Feindes unter seiner Last liegen siehst" (Ki tir'e Chamor Son'acha rowez tachat Massa'o...) [Schemot 23:5]. Der Pasuk fährt fort "so sollst du dir nicht gestatten, ihn sich selbst zu überlassen" (wechadalta mej'asow lo) und schliesst mit den Worten "vielmehr lasse alles fahren und helfe ihm" (asow ta'asow imo).
Raschi weist darauf hin, dass das Wort "asow" am Ende des Pasuks nicht die übliche Bedeutung von "verlassen" hat. Diese Übersetzung würde hier keinen Sinn machen. Hier meint "asow" "Hilfe leisten" oder "helfen". Raschi zitiert andere Pesukim aus der Torah, wo das Verb "asow" "Hilfe leisten" bedeutet.
Aber das Wort "asow" ist nicht die einzige Schwierigkeit in diesem Pasuk. Was bedeuten die Worte "wechadalta mej'asow lo"? Die normale Übersetzung wäre "und du lässt davon ab ihm zu helfen". Raschi sagt, auch dies kann die Torah hier nicht meinen. Raschi gibt hier eine ungewohnte Erklärung: Nach diesem Satz gehört ein Fragezeichen - wie wenn wir rhetorisch fragen, "Wirst du ihm nicht helfen?" Darauf antwortet der Pasuk; "Nein. Gewiss sollst Du ihm helfen."
Raschi zitiert auch eine Mechilta, die lehrt, dass die Torah für diese Mizwa absichtlich eine mehrdeutige Formulierung gewählt hat. Die Torah tat dies, um uns zu lehren, dass es in der Tat Situationen gibt, da man einem Esel in der Not nicht helfen muss. Ein Beispiel für die Erlaubnis, das Schicksal des Tieres zu ignorieren, wäre "Saken, we'ejno lefi Chewodo" - ein älterer Mensch und ein jener, für den es unter seiner Würde wäre, die Last des Esels abzuladen.
Dies ist eine Auslegung unserer Weisen. Die einfache Erklärung des Pasuks ist aber - gemäss Raschi - "Und du würdest denken, ihm nicht zu helfen? Gewiss sollst du ihm helfen!"
Eine interessante Anmerkung des Kli Jakar zeigt, dass er kein Freund von unkontrollierter Sozialhilfe war, einer Unterstützung nach dem "Giesskannenprinzip". Der Pasuk schreibt zuerst "wechadalta mej'asow LO" (du darfst dich zurückhalten, IHM zu helfen) und später "asow ta'asow IMO" (nein - gewiss sollst du MIT IHM helfen). Der Kli Jakar hinterfragt den Wechsel der Pronomen von LO (IHM) zu IMO (MIT IHM)?
Der Kli Jakar antwortet; "LO" bedeutet, IHM Hilfe zu geben; "IMO" bedeutet MIT IHM zu helfen. Der Besitzer des Esels darf nicht warten, bis ein anderer Jehudi vorbeikommt und ihm dann sagen, "da dies deine Mizwa ist, geh und lade meinen Esel für mich ab." Die Torah sagt, wenn der Besitzer des Esels Hilfe will, während er selbst dort sitzt und zuschaut, dann muss man ihm nicht helfen - wechadalta mej'asow lo. Was verlangt die Torah? "Asow ta'asow IMO" - hilf MIT IHM ZUSAMMEN! Wenn der Feind gemeinsam mit dir seine Ärmel aufrollt, dann sollst du ihm helfen.
Der Kli Jakar sagt also - im Gegensatz zu Raschi, der den ersten Teil des Pasuks als eine Frage versteht - dass die Torah zuerst sagt, dass man nicht helfen soll und dann, dass man doch helfen soll. Wie versteht man dies? Es kommt auf die Umstände an: Wenn er nicht versucht sich selbst zu helfen, dann hilf ihm nicht. Wenn er sich aber selbst darum bemüht, die Last seines Esels abzuladen, jedoch Hilfe braucht, dann hilf ihm.
Der Kli Jakar kommentiert dies aus soziologischer Sicht: Von hier sehen wir eine Ablehnung der Einstellung einiger armen Leute unseres Volkes, die sich auf die Gemeinde verlassen, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Sie selbst sind nicht bereit, irgendwelche Arbeit zu tun, obwohl sie dazu fähig wären. Sie wollen nicht einen Finger rühren, um sich selbst zu helfen, sondern wenden sich an andere und sagen "es ist deine Mizwa, mir Zedaka zu geben." Haschem verlangt dies nicht von uns. Die Torah fordert uns auf, unserem Nachbarn zu helfen - IMO - ergänzend zum Einsatz, den er selber vollbringt, um sich zu helfen.
Dies ist eine schöne Auslegung des Kli Jakar, doch der "Pschat" (einfache Erklärung) des Pasuks kommt jener von Raschi näher..
Das neue an dieser Mizwa ist, dass wir es mit einem Menschen zu tun haben, der unser Feind ist. Wir neigen, ihm nicht zu helfen. Die Torah lehrt uns aber, dass wir unsere Antipathie ignorieren und ihm helfen sollen. In Wahrheit gibt es keinen besseren Weg, um Freundschaften wieder herzustellen, als einem Feind zu helfen.
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