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Rav Frand zu Paraschat Mischpatim 5779 - Beitrag 1

Krankheit und Beschämung kommen von G-tt

Die Parascha bespricht die Gesetze des Streites zwischen zwei Menschen, in dem einer der beiden verletzt wird. Die Torah befasst sich mit den Schadenzahlungen und sagt unter anderem, dass diese Erstattung die entgangene Arbeit und die Arztkosten umfasst („rak schiwto jiten, ve’rapo jerapeh“) [Schemot 21:19]. Daraus schliesst der Talmud [Baba Kama 85a]  zusätzlich, dass dem Arzt die Heiltätigkeit erlaubt ist.

Raschi erläutert zur Stelle im Talmud, wieso wir einen Passuk benötigen, um den Ärzten medizinische Dienstleistungen zu erlauben. Ohne diesen Passuk hätten wir die fatalistische Haltung einnehmen können: „G’tt hat das Leiden verursacht; G’tt soll es auch wieder heilen.“

Der Chafez Chajim stellt folgende Frage: Dieses Argument ist nur für den Krankheitsfall stichhaltig. Krankheit wird klar vom Himmel gesandt. Deshalb können wir die Meinung vertreten, dass einzig G’tt Heilung bewirken kann. Wie ist es aber, wenn jemand einen anderen schlägt und der Schmerz nicht von G’tt, sondern von einem Menschen verursacht wurde, wie es hier in der Parascha der Fall ist? In diesem Fall versagt die Begründung, dass eine Erlaubnis für die Heiltätigkeit erforderlich ist. Wieso brauchen Ärzte eine Erlaubnis, um eine Wunde zu heilen, die von einem anderen Menschen verursacht worden war?

Der Chafez Chajim erklärt, dass wir aus dieser Gemarah (Talmud-Passage) lernen, dass ein Jude folgendes wissen soll: Wenn ein anderer ihn schlägt, ist es in Wirklichkeit G’tt, der das Leiden verursacht hat. Zwischen einem Virus, von dem wir alle denken „das kam von G’tt“, und den Schmerzen, die ein Mitmensch verursacht hat, gibt es keinen Unterschied. Beide, so sollte es uns klar sein, kommen von G’tt. Natürlich muss der Schläger Rechenschaft abgeben und für jeglichen Schaden aufkommen, aber das Leid in diesem Moment wurde klar vom Himmel bestimmt; und wenn dieser Schläger nicht zugeschlagen hätte, wäre der Schmerz auf irgendeiner anderen Weise eingetroffen.

Der Sefer HaChinuch (Mizwa 241) schreibt (im Zusammenhang mit der Mizwa, die uns verbietet, Rache zu nehmen): Deshalb soll jeder, der von einem anderen geschlagen oder gekränkt worden ist, wissen, dass G’tt beschlossen hat, dass ihm dies zustosse. Ein Mensch erleidet auf dieser Welt keinen Schmerz und keine Pein, ohne dass G’tt dies für ihn vorgesehen hat. Aus diesem Grund soll ein Mensch sein Augenmerk nicht darauf richten, was der andere ihm angetan, sondern darauf, was er selber dazu beigetragen hat, dass er Schmerz und Pein verdient hat!

Als klassisches Beispiel zitiert der Sefer HaChinuch die Begebenheit, in der Schimi ben Gerah David HaMelech (König David) mit einem schlimmen Fluch verwünschte. David HaMelech rächte sich nicht an Schimi ben Gerah. David HaMelechs Haltung war, dass G’tt ihn zum Fluch veranlasst hatte, wie es heisst [Schmuel/Samuel II 16:10-12]: Der König sprach: „…lasst ihn fluchen; denn der Ewige hat's ihn geheissen: Fluche David! Wer kann nun sagen: Warum tust du also? Und David sprach zu Awischai und zu allen seinen Knechten: Siehe, mein Sohn, der von meinem Leibe gekommen ist, steht mir nach meinem Leben; warum nicht auch jetzt der Benjaminiter? Lasst ihn, dass er fluche; denn der Ewige hat's ihn geheissen.  Vielleicht wird der Ewige mein Elend ansehen und mir mit Gutem vergelten sein heutiges Fluchen.“

 „Lasst Schimi. Ich muss mich damit befassen, weshalb ich dies verdient habe, und nicht mit Schimi’s Vergehen.“ (Natürlich wird Schimi zum Schluss Rechenschaft abgeben müssen, aber dies ist nicht meine Angelegenheit).

Rav Matitjahu Salomon schreibt, dass man am Ende von Jom Kippur, also nach dem Ende des Monats Elul und nach den zehn Busstagen, am Ende des ganzen Jom Kipur-Tages, auf dem Höhepunkt des G’ttesdienstes die Worte ausruft: „Haschem, Er ist Elokim (G’tt).“ „Haschem, Er ist Elokim“ – das ist die Theorie. Was ist die Praxis? Die Praxis ist: „G’tt veranlasste ihn zum Fluch.“

Wenn Haschem wirklich Derjenige ist, der alle Fäden in der Hand hat, so muss ein Mensch, der leidet (was für uns alle gilt, weil wir alle die Höhen und Tiefen des Lebens und seine Unsicherheiten und Mühsale und Beleidigungen im Laufe des Jahres erleben) sich sagen: „Haschem, Er ist der Elokim“ und „G’tt war Derjenige, der ihn zum Fluch veranlasst hat“.

Der Chafez Chajim erklärt, dass die Gemarah uns folgendes lehrt: Wenn wir diesen Passuk nicht hätten, hätte ich meinen können, dass ich keine Arztbehandlung in Anspruch nehmen sollte, wenn ich von meinem Nächsten geschlagen wurde, weil die Wunde, die mir mein nächster beigebracht hat, in Wirklichkeit von G’tt stammt. Obwohl der andere absolut kein Recht zum Zuschlagen hatte und selbstverständlich für seine Tat letztendlich Rechenschaft geben wird und für den Schaden aufkommen muss, muss mir klar sein, dass es der Himmel war, der mir diesen Schlag versetzt hat.

Anmerkung des Redakteures: Im Prinzip drückt der Talmud [Chulin 7b] diese Lebensauffassung mit einem prägnanten Spruch aus: «Ejn Adam nokef Ezba’o milemata ela im ken machrisin alaw milemala – ein Mensch schlägt seinen Finger nicht an, bis man es im Himmel ausgerufen (bestimmt) hat». 

Quellen und Persönlichkeiten:

  • Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); "Vater aller Torahkommentare".
  • Sefer HaChinuch („Das Buch der Erziehung zu Mizwot“): Der mögliche Autor ist Rabbi Aron Halevi; Barcelona, Spanien.
  • Chafez Chajim: (1838 - 1933): Rav Jisrael Me'ir HaKohen von Radin. Autor grundlegender Werke zu jüdischem Recht und jüdischen Werten (Halachah, Haschkafah und Mussar).
  • Raw Matisjahu Solomon, bekannter Redner und Maschgiach (Leiter und geistiger Ratgeber) der Jeschiwa Lakewood, N.J., USA.

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Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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