Schewat/ Paraschat Beschalach

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Rav Frand zu Paraschat Beschalach 5779 (Beitrag 1)

G’tt regiert auch in Zeiten, in denen es uns nicht gelingt, dies zu erkennen

Der Passuk am Ende der Schira (das Loblied, welches das Volk nach dem Überqueren des Roten Meeres sang) besagt: „Haschem jimloch le’olam wa’ed - Der Herr wird für immer und ewig regieren!“ [Schemot 15:18]. Zu diesem Pasuk gibt es einen interessanten Targum Onkelos. Der Targum übersetzt das Verb „jimloch“ (welches wir normalerweise in der Zukunftsform übersetzen: „wird regieren“) als „sein Königreich ist beständig“ (Malchutej ka’im). Gemäss Onkelos ist dies keine Vision für die Zukunft, sondern eine Darstellung der Gegenwart.

Rav Simcha Sissel Brody (Rosch Jeschiwah der Jeschiwah "Chewron") erklärt mit diesem Targum ein Gebet, das wir täglich (morgens unmittelbar vor der Schmone Esre, dem Achtzehn-Gebet) sagen: „Schira chadascha… mit einem neuen Lied haben die Erlösten Deinen Namen am Ufer des Meeres gelobt; sie loben Dich in Harmonie; sie anerkannten Deine Herrschaft und verkündeten: „Haschem jimloch le’olam wa’ed“ (siehe oben). Warum wird dieses Lied in unserer Liturgie als das „neue Lied“ bezeichnet?

Ein anderer Passuk sagt über die Ägypter: „Die Fluten haben sie zugedeckt; wie Steine (ke’Ewen) fuhren sie in die Tiefe [Schemot 15:5]. Raschi weist darauf hin, dass es an einer weiteren Stelle heisst, dass die Ägypter wie Blei (zalalu ka’Oferet) [15:10] versanken und an einer dritten Stelle, dass sie wie Stroh vergingen (jochlemo ka’Kasch) [15:7]. Blei ist ein sehr schweres Metall; es sinkt schneller als Stein. Stroh ist leicht: Es schwimmt zuerst auf der Wasseroberfläche und sinkt erst dann langsam ab. Diese drei Verse scheinen sich auf den ersten Blick zu widersprechen.

Raschi erklärt, dass die Pessukim das Schicksal drei verschiedener Typen von Ägyptern beschreiben. Einige ertranken langsam, so wie Stroh. Andere ertranken schneller; sie wurden wie Steine in die Tiefe gezogen. Und andere wiederum ertranken beinahe sofort, sie sanken so schnell wie Blei. Je langsamer der Tod, desto mehr Qualen und Schmerzen muss der Sterbende ertragen. Die drei Arten von Ertrinkungstod entsprechen drei unterschiedlichen Stufen der Schlechtigkeit unter den Ägyptern. Die Frevler unter ihnen wurden wie Stroh lange hin und her geschleudert, stiegen immer wieder empor und sanken hinab, die Mittelmässigen wie Stein und die Guten wie Blei, sie hatten sofort Ruhe. Ihre Todesform entsprach der Art und Weise, wie sie die Juden während der Sklaverei behandelt hatten.

Aus dieser Raschi können wir folgende Lehre ziehen: Obwohl es in der ägyptischen Gefangenschaft für die Juden so aussah, als ob G’tt sie verlassen habe, entsprach dies nicht der Tatsache. G’tt behütete Sein Volk sogar in den Zeiten, in denen Er Sein Angesicht vor ihm verbarg („Hester Panim“). Er lässt sein Volk nie allein, auch nicht in Zeiten schlimmsten Leidens. Er sitzt auf Seinem himmlischen Thron und führt Buch. Er erinnert sich, welche Ägypter die Juden grausam behandelt hatten und welche gut und anständig. Auch wenn es uns zeitweise anders erscheinen mag: G’tt verlässt uns nie. G’tt hat die Geschicke des jüdischen Volkes immer vor Augen.

Rav Simcha Sissel erläutert, dass die Erkenntnis dieser Raschi-Stelle die gleiche ist wie die Auslegung des vorherigen Targum Onkelos: Nachdem die Juden das Rote Meer überquert hatten, zurückblickten und sahen wie die Ägypter ertranken – einige auf qualvolle Art und andere auf weniger schmerzvolle Weise – „verstanden“ sie plötzlich alles. Sie begriffen das Walten der g’ttlichen Gerechtigkeit. Sie verstanden, dass G’tt Sich Seiner Sache sehr wohl bewusst war und auch in der dunkelsten Stunde der ägyptischen Sklaverei die Lage im Griff gehabt hatte.

Aus diesem Grunde waren sie fähig, eine neue Stufe der Erkenntnis in ihr Lied („Schira chadascha“ – „ein neues Lied“) einfliessen zu lassen. Normalerweise benützen wir ein Lied, um Lob für die „guten“ Dinge, die G’tt für uns getan hat, auszudrücken. Dieses neue Lied war jedoch nicht nur als Dank für die Erlösung gedacht, sondern auch als Lob dafür, dass G’tt uns auch in den schlimmsten Zeiten der Sklaverei beigestanden hatte.  Dieses Lob wurde durch die Worte „Haschem jimloch le’olam wa’ed“ ausgedrückt. Wie Onkelos sagt, meint dies nicht, dass G’tt regieren WIRD. Es bedeutet vielmehr, dass G’ttes Königreich JETZT, in der Gegenwart, Seine Welt regiert – so trostlos die Lage auch scheinen mag.

Solange wir in der Verbannung sind, denken wir, dass die g’ttliche Präsenz vor uns verborgen ist. Die einfache Lesart unserer Gebete ist, dass wir darauf hoffen, dass G’tt in der Zukunft regieren wird und dass alle Seine Herrschaft anerkennen werden. Der Targum deutet den Inhalt unserer Gebete anders. Wir sind fest davon überzeugt, dass G’tt auch jetzt die Welt regiert und hinter den Kulissen über alles, was geschieht, Buch führt.

 

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi (1040 - 1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]: Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); "Vater aller Torahkommentare".

Targum (Onkelos) (gest. ca. 90): massgebender Übersetzer des Chumasch ins Aramäische.

Raw Simcha Sissel Broide (1912 – 2000), Rosch Jeschiwa der Chewroner Jeschiwa, Jeruschalajim

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Die Bearbeitung dieses Wochenblatts erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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