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Hakarat Hatow - Der Ausdruck der Dankbarkeit ist das Kennzeichen eines grossartigen Volkes (Raw Frand, Wajischlach 5784)

Rav Frand zu Paraschat Wajischlach 5784

 

Ergänzungen: S. Weinmann

 

Hakarat Hatow - Der Ausdruck der Dankbarkeit ist das Kennzeichen eines grossartigen Volkes

 

Nachdem Ja’akow Awinu Ejsaw traf, sagt der Passuk: "Dann zog Ja’akow nach Sukkot und baute sich ein Haus, und seinem Vieh machte er Hütten, deshalb wurde der Ort Sukkot genannt. Ja’akow kam wohlbehalten in die Stadt Schechem, die im Land Kena’an ist, als er von Paddan-Aram zurückkam, und lagerte vor der Stadt (wajichan et penej ha'Ir) (Bereschit 33:17-18). Was bedeutet dieser Ausdruck "Wajichan et penej ha'Ir?

Der Midrasch Lekach Tov, auch Pessikta Sutreta genannt, und der Midrasch Rabba (79:6) erklären zu diesem Passuk: Was lehrt uns dies? Wir lernen daraus, dass ein Mensch gegenüber einem Ort, von dem er Nutzen erlangt hat, Dankbarkeit und Wertschätzung zeigen muss. Was tat Ja’akow also? Er sandte den Leuten, die die Stadt leiteten – dem Stadtrat, dem Gouverneur, dem Bürgermeister – Geschenke, um seine Wertschätzung auszudrücken. Der Midrasch gibt noch eine weitere Interpretation: Er legte einen Marktplatz an und verkaufte Waren zu billigen Preisen. Er gründete den ersten Supermarkt. Er erstellte ein grosses Einkaufszentrum und senkte den Preis der Waren für die Bewohner der Stadt. Warum tat er dies? Um der Stadt seine Dankbarkeit auszudrücken!

Der Talmud (Traktat Schabbat 33b) interpretiert die Worte 'Wajichan et penej ha'Ir auf ähnliche Weise: Raw sagt: "Er richtete ein Währungssystem mit Münzen (Matbea) für sie ein." Schemuel sagt: "Er erstellte für sie Märkte." Raw Jochanan sagt: "Er erstellte öffentliche Badehäuser für sie." Warum tat er dies? Um der Stadt seine Wertschätzung zu zeigen!

Die ist ein neuartiges Konzept. Dankbarkeit und Wertschätzung müssen nicht nur einzelnen Menschen gezeigt werden, die uns geholfen haben, sondern sogar einem Ort, von dem wir Nutzen gezogen haben!

Raw Jisrael Se’ew Gustman war ein Dajan (Richter) im Bejt Din (Gerichtshof) von Raw Chajim Oser Grodsinsky, der Rabbiner von Wilna, als er etwas über zwanzig Jahre alt war. Er kam nach Amerika und stellte in Brooklyn eine Jeschiwa namens Netzach Jisrael auf. Später verlegte er die Jeschiwa nach Erez Jisrael und führte dort die Jeschiwa. Er war ein grosser Mensch. Er schrieb Sefarim. Er war ein Gaon Olam (Genie) im wahren Sinn des Wortes. Er hatte eine interessante Gewohnheit, er pflegte die Bäume und das Gebüsch, die vor der Jeschiwa angepflanzt wurden, zu bewässern. Wenn die Bachurim ihn fragten: "Warum bewässert der Rosch Jeschiwa die Pflanzen?", erzählte er ihnen die folgende Geschichte (die auch unwirklich tönt):

Raw Chajim Oser wurde im Jahr 1940 niftar. Als Raw Gustman in den 1930er Jahren in seinem Bejt Din amtierte, pflegten die zwei in den Wäldern von Wilna spazieren zu gehen. Raw Chajim Oser pflegte zu Raw Gustman zu sagen: "Schau dir die Beeren dieses Strauches an. Du weisst, diese sind giftig. Siehst du diesen anderen Strauch? Diese Beeren sind essbar." Raw Gustman konnte nicht verstehen, warum Raw Chajim Oser ihm eine Lektion in Pflanzenkunde gab!

Einige Jahre später realisierte er, warum er dies getan hatte. Als Raw Gustman vor den Nazis flüchtete, versteckte er sich im Wald. Es waren diese Beeren, die ihn am Leben erhielten. Es war Raw Chajim Oser’s Botanik-Lehre, welche Beeren essbar und welche giftig sind, die ihm das Leben retteten. Auch versteckte er sich unter diesen Sträuchern. Deshalb empfand er sein ganzes Leben lang eine Dankbarkeit zu den Sträuchern.

Das Gebüsch der Wälder von Wilna war nicht dasselbe Gebüsch, das ausserhalb seiner Jeschiwa in Erez Jisrael wuchs. So stark war jedoch sein Gefühl der Dankbarkeit, die ein Mensch für irgendeinen Ort oder irgendeine Kreatur ausdrücken muss, von dem er Nutzen gezogen hat. Das Kennzeichen eines ehrbaren Menschen ist sein Mass an Dankbarkeit. Je grösser ein Mensch ist, desto grösser ist seine Bekundung der Wertschätzung.

Ich möchte mit einer weiteren Geschichte über Hakarat Hatow (Dankbarkeit) enden, die ich vor kurzem von Raw Simcha Bunim Cohen gehört habe. Er erzählte mir die folgende Geschichte, die wichtige Lektionen enthält.

Als Rav Elasar Schach (1899-2001) sich noch in Europa befand, empfand er, dass es ihm nicht gelang, gründlich zu lernen. (Wir können uns nur schwer vorstellen, was dies bedeutet!) Er fühlte, dass er Talmidim (Schüler) benötige um einen Schiur (Lektionen) geben zu können, das ihn dazu zwingen würde, sich selbst als ernsten Tora-Lehrer zu entwickeln. Er kam zu Raw Isser Salman Melzer und fragte ihn, ob er seinen Schwiegersohn überzeugen könne, ihn in seiner Jeschiwa einen Schiur sagen zu lassen. Raw Isser Salmans Schwiegersohn war Raw Aharon Kotler, der der Rosch Jeschiwa in Klezk (in der Gegend von Minsk in Weissrussland) war. Raw Aharon wies die Bitte zurück. Er fühlte, dass er einen gewissen Lernstil hatte, der sich von demjenigen von Raw Schach unterschied. Er wollte die Bachurim nicht verwirren, indem er sie anderen Lernweisen aussetzte, und wollte deshalb nicht, dass Raw Schach in der Jeschiwa von Klezk einen Schiur sagen solle. Dies ist der Hintergrund der Geschichte. Jetzt kommt der nächste Teil der Geschichte.

Viele Jahre später wohnte Raw Schach in Benej Berak (Erez Jisrael). Ein Jude kam zu Besuch zu ihm und stellte sich als Raw Ja’akow Chiger vor. Raw Schach fragte ihn sofort, ob er mit Raw Mosche Chiger verwandt sei. Der Mann erwiderte, dass er der Sohn von Raw Mosche Chiger sei. Raw Schach sagte erregt: "Ich muss deinen Vater sehen. Vierzig Jahre lang habe ich mich gefragt – was ist mit Rav Mosche Chiger geschehen?" Raw Ja’akow Chiger sagte Raw Schach, dass sein Vater in Jeruschalajim wohne, darauf entgegnete Raw Schach: "Nehme mich bitte nach Jeruschalajim!" Raw Ja’akow zögerte: "Dies ist nicht passend. Raw Schach ist der Rosch Jeschiwa, und wohnt in Benej Berak. Ich werde meinen Vater nach Benej Berak bringen."

Er brachte seinen Vater zu Raw Schach, und Raw Schach sagte zum älteren Raw Chiger: "A groissen Jejascher Koach - einen herzlichen Dank an Sie". Warum? Nachdem Raw Aharon Kotler sich geweigert hatte, Raw Schach einen Schiur in Klezk sagen zu lassen, lernte Raw Schach weiterhin alleine, aber er fühlte immer noch, dass er in seinem Lernen nicht genügend Fortschritte machte. Er ging nochmals zu Raw Isser Salman und flehte ihn an: "Bitte überzeugen Sie Raw Aharon, mich einen Schiur in Klezk sagen zu lassen!" Nachdem sein Schwiegervater sich nochmals für ihn einsetzte, sagte Raw Aharon: "Gut. Sie können eine kleine Chabura – einige Bachurim – nehmen und einen Schiur sagen. Sie müssen jedoch wissen, dass sie Ihnen wahrscheinlich nicht zuhören werden. Sie werden es nicht zulassen, dass Sie einen Schiur sagen. Der einzige Weg, dass Sie erfolgreich sein werden, ihnen einen Schiur geben zu können, ist, wenn Sie einen der älteren Bachurim in der Gruppe dazu bringen, Ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und er Sie einen Schiur sagen lässt."

Wer war jener "ältere Bachur" in Klezk, der die jüngeren Bachurim überzeugte, am Schiur teilzunehmen und zuzuhören? Es war Raw Mosche Chiger! Raw Schach sagte, dass er während vierzig Jahren Raw Mosche Chiger gesucht habe, um ihm danken zu können. "Wegen dem, was Mosche Chiger für mich vor vierzig Jahren tat, bin ich heute der Rosch Jeschiwa von Poniwesch. Ohne ihn wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin!"

Vierzig Jahre lang dachte Raw Schach daran, dass er diesem Mann seine Dankbarkeit aussprechen müsse. Wenn nicht er, was wäre aus mir geworden?

Dies ist, was ich hier zum Ausdruck bringen will. Das Kennzeichen eines ehrbaren Menschen ist, dass er ein dankbarer Mensch ist. Das Kennzeichen einer grossen Person ist, wie weit sein Hakarat Hatow geht. Mit Ja’akow Awinu geht es zur Stadt. Mit Raw Jisrael Seew Gustman geht es zu den Sträuchern in Jeruschalajim. Und mit Raw Schach, bedeutet es, vierzig Jahre lang zu warten, um Danke zu sagen.

Quellen und Persönlichkeiten:

Midrasch Rabba (der grosse Midrasch): Grosse Sammlung von Erklärungen und Aggadot zum Chumasch der Tanna’im (Mischnagelehrten) und Amora’im (Talmudgelehrten).

Midrasch Lekach Tov, auch Pessikta Sutreta genannt, eine Midrasch-Sammlung, wurde von       Rabbejnu Tuvja ben Rabbi Elieser verfasst. Rabbi Tuvja lebte vor etwa 950 Jahren (Ende 11. – Anfang 12. Jahrhundert). Er war der Oberrabbiner von Mazedonien (Griechenland). Er lebte in       Saloniki zur Zeit des ersten Kreuzzuges (1096-1099). Auch wirkte er in Kastoria (Griechenland).

Rabbi Chajim Oser Grodsinski (1863-1940); Rabbiner von Wilna. Er war Rabbiner, Aw Bejt Din (Gerichtsvorsitzender), Possek (Dezissor) und grosser Talmud-Gelehrter. Während den 55 Jahren, in der er sein Amt ausführte, wurde er als einer der leitenden Posskim weltweit angesehen.

Rabbi Isser Salman Melzer (1870-1953); geb. in Mir. Er lernte in der Mirer Jeschiwa, in Woloschin, (unter der Leitung des Neziw und Rabbi Chajim Soloweitschik), und in Radin (unter der Leitung des  Chafez Chajim). Im Jahr 1894 wurde Rav  Melzer Maggid-Schiur an der Slabodka-Jeschiwa.  Im Jahr 1897 verliess Rav Melzer Slabodka, um die Sluzker Jeschiwa zu leiten,  die vom Ridwas in Sluzk gegründet worden war. 1903 wurde Rav Melzer zum Rabbiner von Sluzk ernannt, eine Position, die er 20 Jahre lang innehatte. Rabbi Meltzer wanderte  nach Erez Jisrael aus und wurde Rosch Jeschiwa der Ez-Chajim-Jeschiwa in Jerusalem. Er war der Schwiegervater von Rabbi   Aharon Kotler.  Er schrieb ein umfassendes Werk – Ewen Ha’asel - zur Mischne Tora des Rambam (7 Bänder) und Anmerkungen zu den Erklärungen des Ramban zum Talmud.

Rabbi Aharon Kotler (1891 - 1962): Rosch Jeschiwa in Kletzk (Weissrussland) und Lakewood, USA. Er war ein prominenter Führer des orthodoxen Judentums in Litauen und später in den Vereinigten Staaten, wo er das Beth Medrash Gavoha in Lakewood, New Jersey, mit 15 Schülern gründete. Heute zählt die Jeschiwa und der Kolel rund 7000 Studenten. Er war ein Schwiegersohn von Rabbi Isser Salman Melzer.

Rabbi El’asar Menachem Man Schach (1898-2001). Geb. in Wabolnick (Litauen). Er lernte in den Jeschiwot von Vilijampolė (Kaunas), Sluzk, Mir und Kletzk (alles Litauen). 1934 wurde er Rosch Jeschiwa in Navaradok und 1935 an der Karliner Jeschiwa in Luninez (beides       Polen, heute Weissrussland). Im Jahre 1940 wanderte Rav Schach und seine Familie nach Erez Jisrael aus. Er wurde Rosch Jeschiwa in Tel-Aviv, Jerusalem und Petach Tikva und schlussendlich fast 50 Jahre an der Poniwescher Jeschiwa in Benej Berak. Er war auch ein Leiter des orthodoxen Judentums in Erez Jisroel. Er verfasste ein umfassendes Werk zum Rambam, namens Awi Esri.

 

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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