Schewat/ Paraschat Beschalach

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Feinfühligkeit führt zu Feinfühligkeit (Rav Frand, Wajischlach 5783)

Rav Frand zu Paraschat Wajischlach 5783

 

Feinfühligkeit führt zu Feinfühligkeit

Diese Parascha beinhaltet den Passuk (Vers): "Und Dinah ging hinaus – die Tochter von Leah, die sie dem Ja’akow geboren hatte – um sich die Töchter des Landes (ihre Gepflogenheiten) anzusehen." [Bereschit 34:1] Dies ist eines der erschreckendsten Ereignisse im bewegten Leben von Ja’akow Awinu. Sowohl die Tatsache, dass seiner Tochter Gewalt angetan wurde, wie auch die Auswirkungen dieser Tat sind sehr bestürzend.

Chasal (unsere Weisen) wundern sich, weshalb Dinah die “Tochter von Leah” genannt wird. Sie fragen "Ist sie nur die Tochter von Leah, und nicht die Tochter von Ja’akow?" Dies ist wie ein Vater, der nach Hause kommt, nachdem sich eines der Kinder schlecht benommen hat. Seine Frau sagt zu ihm, "Du wirst nie erraten, was DEIN Sohn heute getan hat!" Die übliche Antwort zu einem solchem Ausspruch wäre "Ist er denn nur MEIN Sohn und nicht DEIN Sohn?"           

Chasal erklären, dass Dinahs Abstammung ihrer Mutter zugeordnet wird, da "sie hinausging“, gleich wie ihre Mutter Leah auch "hinausging“, wie es steht "Und Leah ging hinaus um ihn (Ja’akow) zu treffen" [Bereschit 30:16]. Dies ist sehr schwierig zu verstehen. Aus irgendeinem Grund geben Chasal hier Leah die Schuld und sagen bezüglich Dinah "sie war eine die hinausgeht, die Tochter von einer die hinausgeht." Das Sprichwort sagt: Wie die Mutter, so die Tochter [siehe Raschi].

Als Leah "hinausging“, tat sie dies aus einem sehr guten Grunde, sie ging ihrem Ehemann entgegen.
Als eine Folge dieses Treffens, wurde einer der zwölf Stämme gezeugt. Es bedarf der Erklärung, weshalb Chasal die beiden Handlungen des "Herausgehens" einander gleichstellen. Wie kann man Leah die Schuld geben? Chasal erklären, dass dies eine winzige Schwäche von Leah war. In der nächsten Generation aber (Dinah), offenbarte sich diese “Charakterschwäche” in einer viel stärkeren Form.

Rabbi Levi Jizchak von Berditschew - der Keduschat Levi - hat einen anderen Zugang zum Ausdruck "Und Dinah, die Tochter von Leah ging hinaus".  

Der Keduschat Lewi schreibt, dass Dinah die Tochter von Leah genannt wird, da ihre ganze Existenz einer Tat von Leah zugrunde lag. Was bedeutet das? Der Passuk schreibt in Paraschat Wajeze "Und nachher gebar sie eine Tochter, und sie nannte sie Dinah." [Bereschit 30:21]

Raschi zitiert eine berühmte Gemara (Talmud Traktat Berachot 60a]): "Unsere Lehrer erklärten, sie hiess Dinah, denn Leah sass über sich selbst Gericht (Dinah - Din - Gericht): "Wenn dies ein Junge ist, dann wird meine Schwester Rachel nicht einmal wie eine der Mägde sein. Sie betete wegen des Ungeborenen und es verwandelte sich in ein Mädchen."

Leah war wieder schwanger geworden, nachdem sie schon sechs Söhne hatte. Und wirklich, nach dieser Gemara, war sie schwanger mit einem Sohn. Sie machte eine einfache Rechnung: "Ich habe schon sechs Söhne. Jede der beiden Mägde (Nebenfrauen) hat zwei Söhne. Wenn ich einen siebenten Sohn habe, dann wird Ja’akow schon elf der zwölf Söhne haben, die für ihn vorgesehen sind. Meiner Schwester Rachel bleibt dann nur ein Sohn übrig, weniger sogar als den Mägden."   Rachel hätte mit einem Mädchen schwanger werden sollen, das Dinah gewesen wäre. Leah sorgte sich um die Beschämung ihrer Schwester und betete zu G’tt, dass durch ein Wunder ein Tausch geschehen möge. Sie solle das weibliche Kind gebären und ihre Schwester das männliche.
Dies geschah denn auch. Die Babys wurden durch ein Wunder vertauscht. Leah wurde mit Dinah schwanger und Rachel nachher mit Josef. Dies ist die Bedeutung des Ausdrucks "und nachher (nachdem sie diese Rechnung gemacht hatte) gebar sie eine Tochter und nannte sie Dinah (basierend auf den Din, mit dem sie sich selbst richtete)"

Der Keduschat Lewi benutzt diesen Midrasch um die Zuordnung von Dinah als "die Tochter von Leah" in unserer Parascha zu erklären. Dinah wurde nur durch Leahs Intervention bei ihr geboren – durch ihr Flehen zu Haschem für ihre Schwester.

Der Schemen HaTow nimmt diese Erklärung des Keduschat Lewi – die grosse Selbstaufopferung von Leah für ihre Schwester - und macht sie zu einer Frage: Weshalb eigentlich findet diese grossmütige Tat von Leah in Chasal nicht mehr Achtung? Weshalb wird dieser ungeheure Verdienst von Leah nicht mehr erwähnt?

Der Schemen HaTov antwortet, der Grund, weshalb dieser Verdienst nicht direkt Lea angerechnet wird, ist weil er eigentlich Rachels Verdienst ist. Es war nämlich ein Begebnis viele Jahre früher, das Leah dazu brachte, so zu handeln. Wenn es jemanden gab, der wirklich feinfühlig war bezüglich der Beschämung ihrer Schwester, dann war das Rachel.

Rachel hätte Ja’akow heiraten sollen. Lawan machte einen Tausch. Eine Tochter hätte Ja’akow heiraten sollen und die andere Ejsaw. Rachel riskierte die Möglichkeit, die Frau des bösen Ejsaw zu werden, um ihrer Schwester die Beschämung zu ersparen!

Jahre später inspirierte Rachels Selbstaufopferung Leah, dass sie den Gefallen zurückzahlte und den siebten Sohn aufgab, damit ihre Schwester nicht fühlen sollte, dass sie weniger zum zukünftigen Klal Jisrael beigetragen hatte, als die Mägde. Wenn wir es so anschauen, dann zeigte Leahs Opfer weniger Feinfühligkeit und war nur eine Folge von Rachels anfänglichem Opfer. Darum, sagt der Schemen HaTow, erwähnen Chasal diese Tat weniger ausführlich als das Opfer von Rachel. Das hauptsächliche Verdienst wird Rachel angerechnet. Von hier lernen wir eine Lektion in Feinfühligkeit.

Ich will noch eine Geschichte erzählen – nicht von biblischen Menschen, sondern von einem Zeitgenossen – der auch so feinfühlig war, einen Mitmenschen vor Scham zu bewahren.

Es hatte zwei Ba'alej Keriah (Torah-Vorleser) in einer Schul. Um Anonymität zu bewahren, werden wir sie Re’uwen und Schim’on nennen. Sie lasen in der Torah immer abwechselnd. Es war Re’uwens Woche in der Torah zu lesen. Doch am Freitagabend kam Re’uwen nach Schul und sagte zu dem Gabbai "Ich bin heiser. Ich kann morgen nicht leinen. Bitte frage Schim’on, ob er diesen Schabbat für mich einspringen kann." Der Gabbai ging zu Schim’on und richtete ihm Re’uwens Bitte aus. Schim’on sagte, es sei kein Problem, er werde sich während des langen Freitagabends vorbereiten und am nächsten Morgen leinen (vorlesen).

Am nächsten Morgen, als die Sefer Torah herausgenommen wurde, ging Re’uwen hinauf um zu leinen! Er war jedoch offensichtlich heiser und als die erste Alijah vorbei war, rief er laut aus, "Ich kann nicht mehr weiter. Meine Stimme ist heiser. Lasst Schim’on leinen." Schim’on ging zur Bimah (Torah-Pult) und übernahm das Leinen von da an.

Nach dem Gebet, ging der Gabbai zu Re’uwen und fragte für eine Erklärung: "Ich verstehe nicht. Was war dieses ganze Schauspiel? Wir haben dies doch gestern diskutiert. Alles war doch abgemacht. Weshalb hast du begonnen zu leinen und dann dieses ganze Schauspiel gemacht, als ob du erst jetzt heiser geworden seiest?"

Re’uwen erklärte, er war besorgt, dass er Schim’on nicht genug Zeit gegeben hatte, um sich gründlich vorzubereiten. Er befürchtete, dass Schim’on unvorbereitet leinen müsste und da er nicht genügend darauf vorbereitet war, würde er vielleicht viele Fehler machen und sich schämen müssen. "Viele Menschen würden sich gar nicht daran erinnern, dass es überhaupt nicht Schim’ons Woche war um zu leinen. Sie würden denken, dass er Fehler machte, da er kein guter Ba'al Koreh sei. Ich wollte es klar machen, dass es eigentlich meine Woche sei und dass Schim’on kurzfristig für mich eingesprungen ist."

Mögen wir alle lernen, diese Feinfühligkeit in unserem tagtäglichen Leben anzuwenden, wie es uns von unseren biblischen Vorbildern gezeigt wurde und wie es dieser „einfache“ Jehudi tat.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi (1040-1105), Akronym für Rabbi Schlomo ben Jizchak; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rabbi Levi Jizchak von Berditschew, Ukraine (1740- 1810); chassidischer Rabbi und Zaddik, Verfasser von Keduschat Levi. Wird auch der „Sanegor“ (Fürsprecher) von Klal Jisrael genannt, denn er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht "Melamed Sechut" zu sein, immer eine Rechtfertigung für die Taten des Klal Jisrael zu finden.

Schemen HaTov: Rabbi Dov Weinberger; zeitgenössischer Autor; Rabbi in Brooklyn, New York.

                           

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich _____________________________________________________________________________

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