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Vier Lektionen in Gastfreundschaft - (Rav Frand Wajera 5779)

Vier Lektionen in Gastfreundschaft

A. Eine Mizwa, die dem Gastgeber nützt

Ein grosser Teil des Tora Gebotes von Hachnassat Orchim (Gastfreundschaft) wird in Paraschat Wajera besprochen. Unser Stammvater war in der Ausführung dieser Mizwa (Gebot) hervorragend. Er war ein Vorbild an Güte und der Gastgeber par excellence. Aus dieser Parascha, aus der Geschichte von Awraham Awinu leitet Rav Nissan Alpert eine Vielzahl schöner Gedanken zur Mizwa von Hachnassat Orchim ab.

Raschi zitiert unsere Weisen, dass G'tt dafür sorgte, dass der dritte Tag nach Awrahams Brit Mila (Beschneidung) ungewöhnlich heiss war. Es sollte niemand unterwegs sein, damit Awraham ein bisschen Ruhe vor Gästen gegönnt war. Awraham war jedoch betrübt, dass er keine Gäste empfangen konnte. Daraufhin schickte G'tt drei Mal’achim (Engel), die als arabische Gäste getarnt waren. Engel sind geistige Wesen, welche die Mahlzeit, die Awraham ihnen vorsetzte, gar nicht benötigten und in Wirklichkeit auch nicht verzehren konnten. Sie gaben jedoch vor zu essen (das Essen verbrannte in ihrem Mund).

Warum sandte G'tt Awraham Engel, die keine Nahrung benötigen? G'tt hätte doch ein Gewitter senden können, das die Temperatur gesenkt hätte. Die Leute wären dann wieder gereist. Dann wäre sicherlich ein Armer auf der Strasse vorbeigekommen und Awraham hätte ihn zum Essen einladen können. Das wäre doch viel logischer gewesen, als Awrahams grosse Gastfreundschaft damit zu verschwenden, ein Festessen für Engel zuzubereiten, welches diese gar nicht essen konnten.

Diese Episode beleuchtet die Natur von Gastfreundschaft. Hachnassat Orchim ist, entgegen der landläufigen Meinung nicht in erster Linie eine Mizwa, die den Gästen oder dem Armen nützt. Sie ist vielmehr eine Mizwa zugunsten des Gastgebers! Die Mizwa zielt auf den Geber, nicht auf den Empfänger.

Mehr als der Gastgeber für den Gast tut, tut der Gast für den Gastgeber [Wajikra Raba 34]. G'tt hat seine eigene Sicht auf Wohltätigkeit und gute Taten. Wenn jemand Essen braucht, wird G'tt ihm dies beschaffen. Wenn ein Einzelner oder eine Einrichtung Geld

benötigt, wird sich G'tt darum kümmern. Die Frage stellt sich jedoch, wer den Verdienst erhält, diese Wohltat auszuführen.

Darum spricht das Kapitel, in dem die Mizwa von Hachnassat Orchim erstmals in der Tora erscheint, von Leuten, die dies nicht einmal nötig hatten.

Dies sieht man auch im Ausdruck: "Und ich will ein Stück Brot NEHMEN, damit ihr euer Herz erquickt…" [Bereschit 18:5]. Es hätte heissen sollen: "Und ich werde euch ein Stück Brot GEBEN, damit ihr euer Herz erquickt…" Dies ist auch ein Hinweis darauf, dass derjenige welcher GIBT, in Wirklichkeit EMPFÄNGT - insbesondere die Gelegenheit, eine gute Tat zu vollbringen.


B. Im 6. Vers wird aus dem anonymen Gastgeber plötzlich Awraham

Die ersten fünf Pessukim (Verse) dieser Parascha erwähnen den Namen Awraham nicht. Während der ganzen Erzählung, in der Awraham klar die Hauptrolle spielt, wird nur das Pronomen "er" oder "zu ihm" benützt. Nun sagt der sechste Vers unversehens: "Und Awraham eilte ins Zelt zu Sara und sprach: „Nimm eilends drei Mass feines Mehl, knete es und backe Kuchen.“" [Bereschit 18:6]

Dieser Stilwechsel ist ungewöhnlich. War es wichtig, zu wissen, wer die Hauptrolle in dieser Erzählung spielt, hätte die Parascha mit den Worten beginnen sollen: "Und G'tt erschien Awraham…" (statt "Und G'tt erschien ihm…"). Man hätte erwartet, dass der Name Awraham mindestens einmal in den ersten fünf Pessukim erscheint. Ist jedoch anzunehmen, dass wir wissen, wer in dieser Parascha die Hauptrolle spielt - warum muss die Tora den Namen Awrahams plötzlich im sechsten Vers erwähnen?

Die Antwort darauf ist eine weitere Lektion in Gastfreundschaft. Gäste sollten nie das Gefühl bekommen, dass sie vom Gastgeber selbst bedient werden. Es war nicht "Awraham" - der berühmte "Awraham", Vater vieler Nationen, der sie bediente, als er aufzutischen begann. Sie realisierten nicht einmal, wer ihr Gastgeber war. Der Passuk ist unpersönlich, um die Art und Weise auszudrücken, wie unser Stammvater Awraham diese Mizwa ausführte. Er wollte nicht, dass die Gäste sich ungemütlich fühlten, weil sie feststellten, dass er – anerkannter Fürst aller Nationen - höchstpersönlich sie bediente.

Im sechsten Vers jedoch wollte Awraham seine Frau und Kinder ermutigen, bei dieser Tat mitzumachen. Darum legte er jetzt Gewicht auf seine Person. Der Prinz vieler Völker rannte höchstpersönlich und führte die Mizwa von Gastfreundschaft voller Enthusiasmus aus, damit auch seine Frau und Kinder mitgerissen werden und daran teilhaben. Er prägte damit seinen Familienmitgliedern den Gedanken ein, dass diese Gäste es wirklich wert waren, von einer so wichtigen Persönlichkeit wie ihm bedient zu werden - und damit selbstverständlich auch von Menschen wie sie.

Die Tora lehrt uns damit, dass der Gastgeber sich immer bemühen sollte, nicht aufzufallen, damit es nicht den Anschein macht, dass er sich unsäglich um das Wohlergehen der Gäste bemüht und sie sich dadurch unbehaglich fühlen. So führte sich Awraham und wir sollten uns sein Benehmen zum Vorbild machen.


C. Wenn Awraham sich um den Senf bemüht, dann sollten wir das auch tun

Unsere Weisen sagen uns, dass Awraham den Engeln bei der Bewirtung Zunge mit Senf vorsetzte. Rav Pam zeigte sich einmal sehr erstaunt darüber, dass Awraham Senf zur Hand hatte. Es ist verständlich, dass wir beim Blick in den Kühlschrank eines "normalen" Haushaltes süss-saure Sauce, Sandwich-Aufstrich, eingelegte Artischocken und dergleichen vorfinden. Wir denken aber, dass wir im Kühlschrank einer Persönlichkeit, die für ihre Rechtschaffenheit und Frömmigkeit bekannt ist ("Gadol HaDor"), kaum mehr als das Nötigste entdecken werden. Wieso hatte Awraham, wenn wir erwarten können, dass wir beim Gadol HaDor unserer Zeit wohl keine süss-saure Sauce vorfinden werden, Senf in seinem Kühlschrank?

Will dies uns sagen, dass Awraham seine Hot Dogs nur mit Senf verzehrte? Er stand sicher über diesen Dingen. Er war ein heiliger Mann! Wieso hatte er Senf im Haus?

Rav Pam erklärt, dass die Antwort klar ist. Je grösser ein Mensch ist und je heiliger ein Mensch wird, desto wichtiger sind ihm die Bedürfnisse der Anderen. Selbstverständlich war es Awraham einerlei, ob er Senf zur Zunge hatte. Aber weil er wahrhaftig ein Gigant unter den Menschen war, ein Gigant in Güte, wusste er, dass der Normalbürger, der als Gast kommt, Senf haben möchte, auch wenn er selbst keinen brauchte. Es war ihm deshalb wichtig, Senf in der Küche zu haben, um für den einfachen Gast vorbereitet zu sein, dem der Geschmack der Speise wichtig war. Dies ist die Lektion von Awraham Awinu. Wir müssen dem Andern immer mit Güte und Mitgefühl begegnen.

Ausserdem muss uns bewusst sein, dass der wichtigste Ort, um Güte auszuüben, bei uns zuhause ist. "... und entziehe dich nicht von deinem Fleische (deiner Familie)." [Jeschajahu 58:7]. Wir müssen uns die Lektion dieser Parascha zu Herzen nehmen - wir müssen uns um jedermanns Senf sorgen.

 

D. Auch wenn sie Resten essen müssen!

„Man soll euch ein wenig Wasser bringen, wascht eure Füsse und lehnt euch an unter den Baum. Und ich will euch ein Stück Brot bringen…“ [Berejschit 18:4-5]. Wir erwarten, dass Awraham, der die Gastfreundschaft in Person ist, anders spricht. Er sollte die Gäste unverzüglich ins Haus bitten, ihnen eine schöne Mahlzeit vorsetzen und sie in eine luxuriöse Unterkunft führen und nicht nur etwas Wasser für die Füsse und Brot anbieten und ihnen einen Platz unter dem Baum zum Ausruhen zeigen.

Raw Nissan Alpert erklärt, dass wir oft nur zögernd Gäste in unser Haus aufnehmen. Wir erklären es damit, dass wir sie nicht standesgemäss bewirten können. Wir können ihnen keine üppige Mahlzeit hinstellen. „Heute essen wir Resten.“ „Wie können wir den Gästen Thonsalat vorsetzen?“ „Wir können ihnen keine entsprechende Unterkunft anbieten.“ „Lieber lade ich gar keine Gäste ein, als sie einzuladen und ihnen nicht die angemessene Ehrerbietung zu zeigen.“

Wir lernen von Awraham Awinu genau das Gegenteil. Wirkliche Gastfreundschaft (Hachnassat Orchim) heisst, Gäste einzuladen, wenn sie ‚erscheinen‘. Gebt ihnen Rice Crispies – etwas Wasser, ein wenig Brot – nur, ladet sie ein. Unser Stammvater gibt uns folgende Lehre: Gastlichkeit heisst, immer für Gäste bereit zu sein. Die Leute brauchen keine üppigen Mahlzeiten. Sie brauchen keine Mahlzeiten wie sie von Schlomo HaMelech (Salomon) in seinen besten Zeiten serviert wurden. Die Leute sind sogar mit Thonsalat zufrieden. Sie brauchen nicht mehr. Sie wollen nicht mehr.

Rabbi Alpert sagte im Namen seines Vaters „Man soll nicht für Gäste VORBEREITEN; man sollte jedoch stets für Gäste VORBEREITET sein.“ Das Vorbild aller Gastgeber rät uns, die Gäste immer einzulassen. Empfangt die Gäste - auch wenn wir sie nicht mit unseren ausgesuchtesten Rezepten verköstigen können.


Quellen und Persönlichkeiten:

  • Rav Nissan Alpert [Limudej Nissan] (gest. 1986): Rav der Agudah Long Island in Far Rockaway und Lehrer an der ‚Jeschiwa Rabbenu Jitzchak Elchanan‘. New York City.
  • Rav Awraham Pam (gest. 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.

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