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Schawuot

Schawuot

Rav Frand zu Matan Thora / dem Empfang der Thora:

Was hält uns Juden zusammen?

Für die Beschreibung von Matan Thora, dem Empfang der Thora, verwendet der Passuk (Vers) in der dieswöchigen Parascha den Ausdruck "Und Israel lagerte ("wajichan" – Singular) am Fuss des Berges" [Schemot 19:2]. Unsere Weisen sagen, dass die Einzahl von "wajichan" darauf hinweist, dass sie geeint waren, wie ein Mann und ein Herz.

Der Derech Erez Suta definiert es wie folgt: "Weil sie sich alle gegenseitig zugeneigt waren, untereinander keinen Streit suchten und als Einheit lagerten, sagte G'tt: "Jetzt ist die richtige Zeit gekommen, meinen Kindern die Thora zu geben."

Das Konzept von Einigkeit ist ein Gedanke, über den ich bereits oft gesprochen habe. Dieses Mal möchte ich Sie an einem Erlebnis teilhaben lassen: Vor vielen Jahren (im Jahr 1990) war ich an einem Sijum HaSchass (Feier nach Abschluss eines Talmudzyklus‘ von 7,5 Jahren). Das Erlebnis, 22'000 g'ttesfürchtige Juden im Madison Square Garden versammelt zu sehen, bot einen Anblick, den ich wohl mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde. Dieses Bild war aussergewöhnlich. (Anmerkung der Redaktion: Zwischenzeitlich waren es im Jahr 2012 und auch anfangs 2020 bereits rund 100‘000 Personen, allein im MetLife Stadion, New Jersey, beim „12. Und 13. Sijum HaSchass des Daf Hajomi“.)

In diesem Moment begann ich neu zu begreifen, was "ein Mann und ein Herz" bedeutet. Wegen der Vielzahl unserer Sünden gibt es leider nicht viele Dinge, für die 20'000 oder 100‘000 Juden zusammenkommen können. Wenn man in die Menge schaute, konnte man jüdische Menschen aus den verschiedensten Kreisen sehen. Ich sass neben einem Chassid mit rundem Hut, Kappota (langer Mantel), Pejot, in der charakteristischen Kleidung. Neben ihm war jemand im Geschäftsanzug, mit weissem Hemd und Fliege. Schaute man ein wenig herum, sah man Sefardim, Aschkenasim, Litvakim und Chassidim (verschiedene Gruppierungen des jüdischen Volkes). Ich sah Menschen, von denen ich, hätte ich sie auf der Strasse gesehen, nie gedacht hätte, dass sie überhaupt wissen, dass es etwas wie den "Daf HaJomi" (das tägliche Lernen eines Talmud-Blattes) gibt.

Heutzutage gibt es nur eines, das alle diese Menschen zusammenbringt.

"Wollen wir zusammen dawenen (beten)?" "Ich dawene einen anderen Nussach (Ritus, gemäss einer anderen Überlieferung)."

"Wollen wir über Erez Israel (Land Israel) reden?" "Nein. Wir sind uns über Israel nicht einig, besonders wenn es um Politik geht."

Es gibt so viele Dinge, über die wir uns leider nicht einig sind. Aber einen gemeinsamen Nenner gibt es. Es gibt eines für alle, etwas, das für alle gilt. Dieses eine ist die Thora. Die Thora ist die gleiche für mich, für den Chassid, für den Sefardi, für den Anwalt mit der Fliege und den Rav mit dem Frack. Es ist die Thora. Es ist das gemeinsame Erlebnis von "ein Mann und ein Herz".

Mein Herz sagt mir, dass dies eine Folge des Prinzips „Ma’asseh Awot Siman laBanim“ - die Taten der Väter sind ein Wegweiser für Ereignisse in späteren Generationen - ist. Vor 3300 Jahren standen wir alle am Har Sinai (Berg Sinai), ohne Zersplitterung, ohne Streitigkeiten und ohne Gehässigkeiten, nur mit einem gemeinsamen Ziel: die Thora zu empfangen. Dieses Ereignis in der Vergangenheit ermöglicht es, dass 22'000 (und auch 100000) Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftskreisen mit einem einzigen Gedanken zusammen- kommen: die Thora zu studieren.

Wenn wir Schawuot, den Tag der Gesetzesgebung, feiern und darüber nachdenken, was Schawuot eigentlich bedeutet, sollten wir uns bewusst sein, dass Schawuot der aussergewöhnlichste aller Jamim Towim (jüdische Festtage) ist. Er verschaffte uns unsere nationale Bestimmung, unsere nationale Seele.

Das meinte Rav Josef mit: "Ohne Schawuot wäre ich nicht mehr als ein weiterer Joe auf der Strasse" [Pesachim 68b].

Eines der bewegendsten Gebete am Jom Kippur (Versöhnungstag) ist das Gebet, das lautet "… wir haben keinen Kohen (Priester) mehr, wir haben kein Podium mehr (von dem aus die Kohanim das Volk segneten), Jerusalem ist in Trümmern, die Thora ist das Einzige, was uns noch bleibt …"

Die Thora ist das einzige, was uns bleibt, das uns einigen kann. Wir streiten uns über jede Kleinigkeit. Aber in einem sind wir uns einig. Die Thora existiert und vereint uns. Dies ist eine ungemein kraftvolle Tatsache, die wir feiern können. Darum ist Schawuot ein besonderer Jom Tov. Das ist uns geblieben; das ist es, wofür wir hier sind.

Wenn ich an Pessach am Sedertisch sitze und vortrage, "nächstes Jahr in Jerusalem", so meine ich damit, dass ich hoffentlich nie mehr einen Seder wie in diesem Jahr begehen werde. Jedes Jahr ende ich am Jom Kippur mit dem Gebet: "Nächstes Jahr wird es besser sein: Ich werde in Jerusalem sein und schauen dürfen, wie der Kohen Gadol (Hohepriester) die Awoda (Tempeldienst) verrichtet."

Es gibt im Leben wenige Ereignisse, die sich sieben Jahre im Voraus prophezeien lassen. Aber ein Ereignis wird sicherlich in siebeneinhalb Jahren wieder stattfinden ... „Hadran aloch Tinoket u’slika lah Masechet Nidah“ (Abschlussformel, nachdem man den ganzen Talmud durchgelernt hat). Maschiach (Messias) wird kommen, so G’tt will. Aber eine Sache wird ganz bestimmt stattfinden. Es wird wieder das gleiche Daf-Lernen (tägliches Lernen des einen Talmudblattes), denselben Sijum (Abschlussfest) und dieselben Abschlussworte geben. Und dies wird wieder in siebeneinhalb Jahren sein, von heute an gerechnet - in genau 2711 Tagen von heute an; es wird genau gleich sein!

(Und so war es auch! Einige Tage vor Rosch Haschanah 5758 (Jüdisches Neujahr 1997) versammelten sich in verschiedenen Sälen und Arenen insgesamt 70'000 Juden - Männer, Frauen und Kinder – zur Feier des „10. Sijum HaSchass des Daf Hajomi“. Beim „13. Sijum HaSchass des Daf Hajomi anfangs 2020 waren es bereits rund 300‘000 Personen weltweit.)

Ich frage mich: Wovon können wir noch sagen, dass es wieder genau in sieben Jahren stattfinden wird? Das ist Thora. Sie ist der Grundstein unseres Lebens. Unsere Nation ist keine Nation ohne die Thora. Darum ist der Jom Tov Schawuot der  aussergewöhnlichste aller Feiertage. Was wären wir denn schon, falls es diesen grossartigen Tag nicht gäbe?

Quellen und Persönlichkeiten:

Derech Erez Suta: Lebensregeln, die von den Mischna - Lehrern übermittelt wurden.

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich


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