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Schawuot

Die ersten zwei Gebote

Z. Heller, DJZ 1. Siwan 5770 / 14. Mai 2010 bearbeitet von S. Weinmann

Kein Tag in der Geschichte kommt ihm an Grösse und Bedeutung nur nahe. Der Tag von Matan Tora, an dem alle Vorstellungen über das Leben und seinen Zweck unwiderruflich geändert wurden.

Nach jüdischer Zeitzählung war es der 6. Siwan 2448, oder das Jahr 1312 vor der allgemeinen Zeitzählung. Seit diesem Datum sind über dreitausend Jahre vergangen – seit der in der Geschichte einzigartigen offenbaren „Begegnung“ zwischen G“tt und den Menschen. Um G“tt auf diesem Niveau zu begegnen, mussten die Juden sagen können: „Alles was G“tt gesprochen wollen wir tun und hören“. Sie waren bereit, alles was G“tt befiehlt, zu erfüllen, bevor sie versuchten, diese Befehle auf intellektuelle Art zu erfassen. Sie mussten ihren Willen demjenigen G“ttes beugen und Ihm dienen, statt ihren Köpfen und Herzen zu folgen.

Jedes der Zehn Gebote öffnet eine Türe, die den Menschen über das eigene Ego, über seine Wünsche und seine Subjektivität hinweg hebt. Der Maharal erklärt, dass diese Gebote zwar nicht „wichtiger“ sind als die anderen - wie kann es sich ein Mensch überhaupt anmassen, wenn man über G“ttes Willen spricht, Prioritäten zu setzen? – aber sie sind dennoch einzigartig. Und zwar, weil sie uns die Essenz der anderen 599 Gebote (die zehn „Gebote“ beinhalten 3 Ge- und 11 Verbote!) liefern. Es sind die wichtigsten Worte, die wir jemals gehört haben. Die ersten zwei Gebote sind dabei von besonderer Bedeutung, denn sie wurden von G“tt direkt gegeben, ohne dass Mosche als Vermittler wirkte.

Das Erste Gebot

Es lautet: „Ich bin Haschem, Dein G“tt, Der dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus hinausgeführt.“ Auf den ersten Blick erscheint es, dass es sich eher um eine Aussage als um ein Gebot handelt. Der Imperativ, der aus diesem Gebot entsteht, ist zu erkennen, dass G“ttes Existenz nicht von unserer Bereitschaft abhängt, Ihm zu dienen. Es heisst nicht „kenne Ihn“ oder „diene Ihm“, weil Haschem sich durch unsere Handlungen nicht verändert. Wenn wir die Wahrheit dieser Aussage anerkennen und tief in uns dringen lassen, ändert sich unser gesamtes Verhältnis zur Tora. Haschem braucht nichts von uns, wir aber von Ihm.

„Ich bin Haschem“

Der g“ttliche Name, der von uns als „Herr“ ausgesprochen wird, ist der heilige Name mit vier Buchstaben. Die hebräischen Buchstaben, die diesen Namen zusammen setzen, sind auch diejenigen der hebräischen Zeitformen: „Er war, Er ist, und Er wird sein“. Seine Präsenz überwindet und durchdringt alles, was wir sehen, hören oder berühren. Sobald wir uns dessen bewusst sind, können wir Ihn immer finden.

„Dein G“tt“

Das hebräische Wort für G“tt „Elokim“ bedeutet wörtlich „Herr der Kräfte“. G“tt macht uns Seine Präsenz durch das Mittel Seiner Einwirkung bekannt. Jede Schöpfung hat in gewissem Sinn das Siegel G“ttes in sich geprägt. Die Natur mit ihrem lebhaft- mächtigen Charakter beschäftigt uns aber so intensiv, dass wir ihr gestatten, uns von ihrem Schöpfer abzulenken.

Wenn wir etwa einen phantastischen, atemberaubenden Sonnenuntergang beobachten, könnten wir diesen dazu nutzen, um unsere Herzen zu öffnen. Oder wir blicken einfach auf die Uhr und bemerken die Tatsache, dass der Tag sich dem Ende zuneigt. Das Wort „Elokim“ hat dieselbe „Gematria“(86) wie „Hatewa“ (86) – Natur. G“tt ist nicht nur präsent, wenn Er sich durch seine Anwesenheit offenbart. Er ist auch da, wenn er diese durch die Natur verhüllt und Er fordert uns heraus, Ihn - und gleichzeitig auch unser höheres Selbst - zu entdecken.

„Der dich aus Ägypten führte“

Haschem ist nicht nur existent, er ist auch anwesend. Es gibt Zeiten, in denen wir uns fragen: „Wo ist G“tt?“ Diese Frage kann so viele Formen annehmen, wie es verschiedene Tragödien geben kann. Die Antwort lautet aber immer gleich. Er ist da und Er war da. Das Wort Mizrajim (Ägypten) bedeutet „Enge/Grenzen“. Es gibt Zeiten, in denen wir zu ersticken glauben. Wir können uns nirgendwo hin wenden und finden keinen Rettungshafen. Diese Momente sind es, in denen wir G“tt am nächsten kommen können, um unsere Verbindung zu Ihm aus den Trümmern unseres zerschmetterten Egos wieder aufzubauen.

Wenn wir uns unseren, wunden Punkten furchtlos zuwenden, überwinden wir die Grenzen des Wunsches, die Dinge selbst unter Kontrolle zu haben.

„Aus dem Sklavenhaus“

Kein Sklave konnte jemals der Gesellschaft des alten Ägyptens entfliehen. Die Plagen, welche die Ägypter zwangen, den Jehudim Freiheit zu gewähren, bewiesen nicht nur, dass G“tt sich des menschlichen Leids bewusst und bereit ist, einzugreifen, sondern auch, dass Er sowohl imstande als auch gewillt ist, die Gesetze der Natur, die Er erschaffen hat, zu ändern.
Sobald wir das einmal wissen, verliert das Wort „unmöglich“ seine Bedeutung. Es steht zwar nicht zur Diskussion, dass manche Geschehnisse wahrscheinlicher sind als andere, doch sind die Gesetze der Natur schlussendlich auch nur Schöpfungen von Haschem. Egal, wie sehr wir unseren externen oder internen „Meistern“ versklavt sind, es besteht immer Grund zur Hoffnung.

Wenn wir erkennen, dass G“tt überall anwesend und von den Naturgesetzen uneingeschränkt ist, ohne dass Sein Mitgefühl jemals schwankt, dann finden in uns markante Änderungen statt.
Unsere Furcht vor der Welt und vor uns selbst verebbt. Wir suchen nach einer Verbindung zu Haschem, Der in jeder Zelle unseres Körpers anwesend ist.

Das Mittel, um diese Verbindung schaffen, ist die Erfüllung der Mizwot. Alle 248 positiven Gebote entsprechen der Anzahl der Glieder und Organe im menschlichen Körper. Jeder Teil des Körpers verleiht der Seele einen greifbaren Ausdruck. Keines steht mit der Seele im Krieg.
Dieser Gedanke ist für uns von grösster Bedeutung. Statt dass der Körper die Ursache einer Entfremdung von G“tt wäre, ist er ein Mittel, um die geistige Sehnsucht nach Ihm zu verwirklichen, indem er konkrete, materielle Mittel zur Verfügung stellt.

Die Zahl 248 verfügt auch über denselben Zahlenwert wie das Wort „Awraham“. Awraham Awinu erklärte vielen geistig Suchenden das Paradoxe, das die materielle Welt darstellt. Statt den Grenzen zu entfliehen, die durch die materielle Welt bestehen, benützte er diese als Brücke zu G“tt.
Das ist der Grund, weshalb die Tora der Geschichte von Awrahams Gastfreundschaft seinen Gästen gegenüber so viel Aufmerksamkeit widmet. Sie verleiht uns eine neue Definition, wie man durch die materielle Realität eine Beziehung zu G“tt schafft.

Das Zweite Gebot

Das zweite Gebot lautet: „Du sollst keine anderen Götter vor Mir haben“. Diese Aussage führt zur Frage. Gibt es andere Götter oder gibt es keine? Falls es solche gibt, warum sollten wir ihnen dann nicht dienen? Und wenn es keine gibt, weshalb werden sie dann überhaupt erwähnt?

Die Antwort liegt in der Ausdrucksweise „Elohim acherim – andere Götter“. Das Wort „Elokim“ sollte eigentlich nur für G“tt allein benützt werden. Die traurige Wahrheit ist aber leider, dass wir, statt unser eigenes Bewusstsein zu dem Punkt hinaufzuheben, dass wir jeden Augenblick in G“ttes Anwesenheit leben, eher zum Versuch neigen, G“tt auf unser Niveau hinab zu ziehen. Wenn wir die Mythen der Götzen betrachten, die in der Geschichte eine dominante Rolle spielten (und von denen es auch heute noch genügend gibt), so können wir nicht anders als feststellen, dass sie das verkörpern, was wir in uns selbst als ideal betrachten. In pantheistischen Glaubenssystemen ist es noch immer das, was wir beschreiben, beobachten und definieren können, was angebetet wird.
Das Gebot, keinen Götzen zu dienen, richtet sich daher gegen unsere Tendenz, G“tt zu entfliehen, indem wir unsere Bedürfnisse und uns selbst vergöttern. Wir grenzen unsere Sinne auf das ein, was wir sehen können.

In götzendienerischen Religionen besteht kein Platz für Wachstum. Nur für das Ego und die Begierde.

Wenn wir dieses Gebot wirklich verstehen und verinnerlichen, brechen wir zumindest für den Augenblick jede mögliche Barriere, die das Ego errichtet hat. Wir können auf unserer Suche nach G“tt keiner anderen Kraft dienen oder einem Hindernis begegnen.

Dieses Gebot ist die Quelle der 365 negativen Gebote. Jedes Verbot entspricht einem Tag des Sonnenjahrs. Jeder Tag bringt uns neue Herausforderungen. Wir können diesen entfliehen, indem wir unser religiöses Gesetz neu definieren und den „Erfordernissen der Zeit anpassen“, oder wir können uns selbst klarer definieren, indem wir diese Verlockungen ablehnen.
Möge dieses Schawuotfest unsere Leidenschaft zu G“tt erwecken und mögen wir die Tora annehmen können, wie wir es nie zuvor getan haben.

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Die Bearbeitung dieser Gedanken erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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