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Elul und Selichot

„Gerade – unterbrochen – und wieder gerade“! 

Ich stolperte über eine Liste von Lebensweisheiten eines der ersten Ba‘alej Mussar (Meister der moralischen Lehren), Rabbi Simcha Sissel Siw sZl., auch bekannt als „der Alte von Kelm“. Über eines der Zitate lächelte ich zuerst, doch dann realisierte ich, dass es kein Witz sein konnte. Also markierte ich es und legte es in einen Ordner „benötigt mehr Nachdenken“ ab.

Das Zitat lautete wie folgt: „Torah wird in drei Gruppen aufgeteilt: 1. Einfach, 2. schwierig 3. einfach!”

Das war es! Verstanden!? Welcher dieser drei Begriffe ist nicht wie die anderen? Zwei dieser drei sind genau dieselben! Was bedeutet es dann, wenn Raw Simche Sissel drei Teile nennt, wenn nur zwei verschiedene aufgezählt sind?

Eine Erklärung könnte man vielleicht in der Birkat ha'Chodesch finden, die wir in der Synagoge jeweils am Schabbat vor dem Beginn eines jedes Monats sagen, die am Schabbat Meworchin ELUL speziell die Gemüter bewegt. Unter den verschiedenen Bitten, die wir an Haschem richten, erwähnen wir auch, dass der kommende Monat mit: Ein Leben in „Jir‘at Schamajim - Furcht vor dem Himmel” erfüllt sein soll, dass er Reichtum und Ehre beinhalten soll, ohne Scham oder Schande - und dann am Ende der Liste bitten wir wieder um „ein Leben in „Jirat Schamajim - Furcht vor dem Himmel”.

Weshalb wird dieser Wunsch zweimal in dieser kurzen Aufzählung erwähnt? Die Antwort, die normalerweise gegeben wird, ist, dass es eine „Furcht vor dem Himmel” gibt, die vor Reichtum und Ehre kommt, und dass es eine „Furcht vor dem Himmel“ gibt, die nach dem Erfahren von Reichtum kommt.

Ein ähnliches Muster finden wir bei Tekiat Schofar. Um die Mizwa des Schofar-Blasens zu erfüllen, muss man einen langen ununterbrochenen Ton und dann einige unterbrochene Töne hören, die dann von einem langen ununterbrochenen Ton abgeschlossen werden. Das Muster ist also „gerade – unterbrochen – gerade“!

Vielleicht ist dies der Schlüssel, um den Code der einfachen und doch nicht so einfachen Botschaft des Schofar zu entschlüsseln.

Alles Gute im Leben beginnt mit einer fast naiven und doch wunderschönen Schlichtheit. Ein Kind schaut seine Eltern zuerst an wie die Sonne und den Mond. Seine Einführung in das Alef Bejt wird mit Honig gefärbt. Ein Chatan (Bräutigam) und Kallah (Braut) werden mit Gesang und Tanz gefeiert.

Alle diese Bilder werden gezielt in unserer Erinnerung gespeichert. Gleich ist es mit unserer Beziehung zu Haschem; sie beginnt wie ein neues Jahr voller Hoffnung und Idealismus.

Wenn die zweite Woche Schule beginnt, sind die Bleistifte aber schon nicht mehr gespitzt und das „Täschli“ ist mit Peanuts-Butter und Aufgaben gefüllt. Nach einer gewissen Zeit werden wir uns aller möglichen Schwierigkeiten bewusst - die dann beginnen, unser Denken zu beeinflussen.

Das Meer, das so klar blau und einladend aussah in dem Reise-Prospekt, wird dunkler und gefährlicher, wenn wir hineinwaten. Die Eltern sind nicht ganz so perfekt wie wir immer dachten. Das Strahlen des Lehrers bekommt Flecken. Die Torah ist schwer zu verstehen. Und die Beziehungen zu anderen Menschen, die zu Beginn so natürlich und einfach schienen, benötigen in Tat und Wahrheit viel Arbeit und echtes Engagement, um Bestand zu haben. „Was geht hier vor? Ist dies eine Art schlechter Witz?” könnte man sich wundern.

Aber nein: Willkommen in der realen Welt!

Wenn man hier stehen bleibt, dann kann dieses frustrierende Gefühl schnell in Enttäuschung und Ernüchterung und dann in Depressionen umschlagen. In dieser Situation kann man nicht lange leben, also muss man wählen. Die einfachere Variante wäre, sich zurück fallen zu lassen in eine kindische Welt, in der man der Wirklichkeit entfliehen kann. Wenn man jedoch aus diesem „Traum“ aufwacht, dann sind die Schwierigkeiten des Lebens immer noch hier und meistens schlimmer geworden.

Der einzige gesunde Zugang, aber auch der schwierigere, ist, was uns das Schofar rät. „Höre nicht auf, dich weiter zu bewegen! Lebe in der Hoffnung einer gereiften Einfachheit, die die Schwierigkeiten des Lebens mit dem unschuldigen Anfang versöhnt.“

Ist dies nicht ein Beispiel an Optimismus für alle Bereiche des Lebens? So werden wir von König David ermuntert: „Hoffe auf Haschem, stärke und ermutige dein Herz - und hoffe auf Haschem!”

Einfach – schwierig und wieder einfach.


Quellen und Persönlichkeiten:

Der "Alte von Kelm", Rabbi Simcha Sissel Siw (1824 – 1898); Rosch Jeschiwa in Kelm, einer der Hauptschüler von Rabbi Jisrael Salanter, dem Gründer der Mussarbewegung (Schulung des Charakters).

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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