Schewat/ Paraschat Beschalach

Die Belagerung Jerusalems

 

Die Belagerung Jerusalems (Aus DIE JÜDISCHE ZEITUNG, Nr. 52, 8. Tewet 5770 / 25. Dez. 2009)

Von RAW NOAH WEINBERG  s.A. (Gründer und Leiter von Aish Hatorah)


Der 10. Tewet  ist  ein  jüdischer  Fasttag, der  an  die  Belagerung  von  Jerusalem  durch  den  babylonischen König Newuchadnezar vor rund 2‘500 Jahren erinnert. Was bedeutet diese Erinnerung heute für uns?
Für uns ist ein Fasttag eine Zeit der Besinnung und Abrechnung, eine Zeit, in der wir frühere Fehler korrigieren können. Was geschah am 10. Tewet, das wir korrigieren müssen?
Am 10. Tewet 3’336  (-425) begann Newuchadnezar mit der Belagerung Jerusalems. An diesem ersten Tag gab es eigentlich nur geringen Schaden, und es wurden keine Juden getötet. Warum ist dann dieser Tag so tragisch? Weil die Belagerung eine Botschaft war, um die Juden der damaligen Zeit zu wecken, damit sie ihre Probleme angehen und korrigieren. Aber das jüdische Volk scheiterte damals, und die Belagerung führte zur Zerstörung des Tempels von Schlomo Hamelech (König Salamon).
Heute stehen wir ebenfalls unter Belagerung. Viele Mitglieder der jüdischen Nation wissen nichts über ihr wertvolles Erbe. Kinder, deren jüdische Ausbildung mit 13 Jahren endet, tragen dieses geringe Wissen während ihres ganzen Erwachsenenlebens mit sich mit. Die Ergebnisse sind katastrophal: Assimilation in der Diaspora und eine Unklarheit der nationalen Ziele in Erez Jisrael.
Was ist also die Botschaft für uns? Wir müssen aufwachen und verstehen. Was will der Allmächtige von uns? Wenn es eine Belagerung gibt, müssen wir die Botschaft jetzt hören. Wir können es uns nicht leisten, auf die Zerstörung zu warten.
Wenn das jüdische Problem heute der Mangel an Kenntnis unseres Erbes ist, dann ist die Lösung klar: mehr Liebe zur Torah, zu anderen Juden, und Liebe für Erez Jisrael und Jerusalem. Der Allmächtige versichert uns: Die Belagerung wird nicht aufgehoben, bis wir den Fehler korrigiert haben.

Verantwortung zu unterrichten

Der Talmud berichtet von zwei Talmidej Chachamim (Torah-Gelehrten), die sich Sorgen machten, dass die Torah vergessen werden könnte. Rabbi Chijah fing Rehe, schlachtete sie und gab das Fleisch Waisenkindern zu essen.   Dann gerbte er die Felle und schrieb auf das Pergament die Chamischa Chumschej Torah, die „Fünf Bücher der Torah“. Er nahm fünf Kinder und lehrte jedes von ihnen ein Buch. Er nahm dann weitere sechs Kinder und lehrte jedes von ihnen eine der sechs Ordnungen der Mischnah, der mündlichen Lehre.
Dann sagte er jedem der 11 Kinder: „Unterrichte die anderen, was du gelernt hast“. Damit – so sagt der Talmud – stellte  Rabbi Chijah sicher, dass „die Juden die Torah nie vergessen“ werden.
Das wirft eine Frage auf: 11 Kinder sind eine ziemlich kleine Klasse. Warum unterrichtete Rabbi Chijah nicht einfach alle Kinder alle Sefarim (Bücher)? Warum lehrte er jedes Kind nur ein Buch?
Die Antwort ist, dass die Kinder, die einander unterrichten sollten, für den Prozess der Weiterverbreitung der Torah notwendig waren. Um sicherzustellen, dass die Torah nicht vergessen wird, muss man weitergeben, was man selber von anderen gelernt hat. Das ist das „Geheimnis“. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber anderen Jehudim. Wenn wir etwas wissen, müssen wir es weitergeben, andere unterrichten.
Wir müssen begreifen, dass die zerstörendste, schmerzhafteste und ansteckendste Krankheit Unerfahrenheit ist. Mangelnde Erfahrung führt zu verschwendetem Leben und unsäglichem Leid.
Wenn wir also den Schlüssel zum Glück haben, sollten wir andere unterrichten. Wenn wir sehen, dass Menschen deprimiert sind, sollten wir sie aufheitern. Wenn wir dazu in der Lage sind, müssen wir helfen. Sonst werden wir immer an der Last zu tragen haben, dass wir nicht getan haben, was wir hätten tun können.
Das bedeutet nicht, dass wir den anderen unsere Meinung aufzwingen. Nein. Ein guter Lehrer vermittelt Informationen, die es dem Schüler erlauben, diese mit dem in Verbindung zu bringen, das er bereits weiss, - und sie selbstständig weiter zu entdecken und zu entwickeln. Lassen wir andere ihr eigenes Wissen sehen und verstehen.
Verkaufen wir uns nicht zu billig. Wir sind in der Lage, einen wesentlichen Einfluss auf andere auszuüben. Wir müssen kein amerikanischer Senator sein, um einen „Wechsel“ zu bewirken. Mit etwas Verstand können wir anderen Menschen helfen.

Das Sowjetische System

Der Direktor des russischen Programms von Aish HaTorah ist Rabbi Eliyahu Essas, ein ehemaliger Refusnik aus der Sowjetunion. Er lebte dort, als es völlig verboten war, Torah zu studieren. Folglich hatte Rabbi Essas niemanden, der ihn unterrichten konnte, und er wusste nicht einmal, wie man das Alef- Bet las. So begann er – mit der Hilfe von einigen alten Büchern, die er sorgsam versteckte - sich selbst die Torah beizubringen. Nach einer Weile wurde bekannt, dass dieser Rabbi Essas die Torah kannte, und andere Leute kamen, um im Geheimen zu studieren.
Aber unter 5 Millionen sowjetischer Juden war Rabbi Essas einer der ganz wenigen, die Torah unterrichten konnten. Wir können uns vorstellen, dass seine verfügbare Zeit sehr begrenzt war. Deshalb stellte Rabbi Essas eine Bedingung: „Bevor ich beginne, Sie zu unterrichten, müssen Sie bereit sein, andere zu unterrichten.“ Auf diese Weise war Rabbi Essas imstande, die Wirkung seiner Lektionen zu vervielfachen.
Auch wenn wir nicht in einem sowjetischen Regime leben, gilt das Konzept für uns ebenso. Wenn wir etwas Wertvolles hören, fragen wir uns selbst: „Das war faszinierend. Wie änderte es mich? Was lehrte es mich über das Leben? Und wie kann ich diese Einsicht anderen weitergeben?“
Und vergessen wir nicht: Lehren bringt auch uns Vorteile. Solange wir eine Idee nicht mit anderen geteilt haben, bleibt sie nur als einigermassen unklarer Begriff in unserer Einbildungskraft. Erst die Notwendigkeit, eine Idee anderen Personen zu erklären, zwingt uns, sie uns selber klar zu machen. Erst dann wurde sie von der Theorie zur Wirklichkeit. Wenn wir jemanden unterrichten, müssen wir sicher sein, dass wir verstehen, wie wichtig dieser Schritt ist. Wenn wir das realisieren, dann wird das ein Teil unseres Erfolgs als Lehrer.

Eine Nation

Es gibt eine weitere Lehre, die wir von der Geschichte von Rabbi Chijah lernen können. Da jedes dieser Kinder nur eines der 11 Bücher selber lernte, wusste es, dass es von den anderen lernen musste. Wir Jehudim sind ein Volk, und wir sind alle für diese Aufgabe verantwortlich. Jede Person muss mit  gebührenden Respekt behandelt werden, egal wie tief ihr Glaube reicht und wie ausgeprägt ihre Beachtung der Mizwot (Gebote) ist. Und von jedem Jehudi kann etwas gelernt werden.
Wir leben in schwierigen Zeiten; ob es die Assimilation ist oder es die internationalen Kräfte sind, die unsere heilige Stadt Jerusalem vernichten wollen, die Botschaft ist im Wesentlichen dieselbe: Die Belagerung hat begonnen, und die Uhr tickt. Wir müssen die Torah unseren Nachbarn, Freunden, aber auch den uns bisher unbekannten Jehudim mitteilen. Dies ist eine Aufgabe von nationaler Dringlichkeit.
Wer ist dafür verantwortlich? Wir, die an die Kraft der Torah und die ewige Aufgabe der Jehudim glauben, wir müssen handeln. Wir müssen lehren und ein „Licht für die Nationen werden.“
Am 10. Tewet, als Newuchadnezar die Stadt Jerusalem belagerte, verstanden wir die Botschaft nicht. Werden wir sie jetzt verstehen? Werden wir uns ändern? Werden wir erwachen?
Wir müssen uns Gedanken um das jüdische Volk machen. Wenn wir uns nicht anstrengen, sorgen wir nicht genug für unser Überleben. Wir haben die Kraft – nutzen wir sie? Wir müssen die Botschaft verstehen - vor der Zerstörung. Die Zeit ist gekommen.

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