Ein götzendienerischer Trick: Opfere eines, dann bist du mit fünf erfolgreich - (Rav Frand, Acharej Mot 5782)

Rav Frand zu Paraschat Acharej Mot 5782

Ein götzendienerischer Trick: Opfere eines, dann bist du mit fünf erfolgreich

 

Die Gesetze des Molech werden in der dieswöchigen Parascha Acharej Mot [Wajikra 18:21] beschrieben. Der Chinuch [Sefer HaChinuch Mizwa 208] verzeichnet dieses biblische Verbot, das in biblischen Zeiten verbreitet war – das Opfern von Nachkommen eines Menschen an einen Götzen namens Molech. Dies ist einer der götzendienerischen Bräuche, der am schwierigsten zu verstehen ist. Das Ritual bestand darin, dass Eltern ihr Kind den Priestern des Molech übergaben. Der Priester, so legt der Chinuch nahe, nahm das Kind und schwang es hin und her oder präsentierte es vor dem Molech-Götzen und zündete dann ein grosses Feuer vor dem Götzen an. Die Priester gaben dann das Kind dem Vater zurück, und der Vater führte das Kind durch das Feuer, das vor dem Molech brannte.

Der Chinuch führt weiter aus: Der Vater ist bei dieser Sünde todesschuldig. Bei Zeugenaussagen gegen ihn wird er versteinigt und sonst erhält er Karet (die himmlische Todesstrafe) [Paraschat Kedoschim 20:2-5]. Jedoch gibt es Einschränkungen bei der Todesstrafe: Der Vater ist nur dann todesschuldig, wenn er beides gemacht hat, das Kind den Priestern übergeben und es auch danach durch das Feuer geführt hat. Auch ist er nur dann todesschuldig, wenn er nur einen Teil seiner Kinder dem Molech dargebracht hat, jedoch nicht, wenn er alle dem Molech übergeben hat.

Der Chinuch zitiert einen Disput zwischen den frühen Kommentatoren über das Schicksal des Kindes, das dem Molech dargebracht wurde. Raschi und der Rambam (Maimonides) verstehen es so, dass das Kind nur schnell durch das Feuer geführt wurde, jedoch nicht getötet wurde. Der Ramban (Nachmanides) jedoch ist der Meinung, dass das Kind vom Feuer verbrannt wurde. Dies ist ein unfassbarer Gedanke. Wie kann ein Vater seinen eigenen Sohn nehmen und ihn im Dienst der Awoda Sara (Götzendienst) töten?

Wie erwähnt, ist der Vater nur dann todesschuldig, wenn er nur einige seiner Söhne dem Molech übergibt. Sollte er alle seine Söhne dem Molech darbringen, verdient er keine Todesstrafe. Dies widerspricht der Intuition. Wie kann es sein, dass jemand die Todesstrafe verdient, indem er einen (von mehreren) Söhnen diesem Ritual unterzieht, jedoch der Todesstrafe entgeht, wenn er all seine Söhne dem Molech darbringt? Wie kann man dies begreifen? Dies entzieht sich jeder Logik.

Keine kleinere Persönlichkeit als der Raschba befasst sich mit dieser Frage [Teschuwot HaRaschba, Chelek 4 Siman 18]. Der Teschuwat HaRaschba erklärt, dass es vielleicht möglich ist, einen Menschen zu entschuldigen, der einen seiner Söhne dem Molech darbringt. Er ist nicht gänzlich schlecht, und für ihn empfiehlt die Tora die Todesstrafe, damit dies für ihn als Kappara (Sühne) dienen soll. Ein Mensch jedoch, der all seine Söhne der Awoda Sara opfert, ist ein solch verdorbene Person, dass die Tora ihm nicht erlaubt, eine Kappara zu haben. Eine vom Gericht vollzogene Strafe, die eine Sühne vorsieht, ist für ihn zu gut. Die Tora will, dass er durch den Himmel getötet wird und ewig leiden muss.

Der Chinuch gibt seine eigene Erklärung zu diesem Paradox, die gleichzeitig die Irrationalität des Molech-Dienstes im Allgemeinen erklärt.

Er erklärt, dass die Priester des Molech den Eltern zu sagen pflegten: Wenn ihr eines eurer Kinder der Awoda Sara opfert, werden die anderen Kinder gut geraten. Dies war die List dieser Tat. Jeder will gute Kinder haben. Deshalb war der grossartige Trick: Gebt uns einen Sohn, führt ihn durch das Feuer (laut dem Ramban – lasst ihn sterben); eure restlichen Kinder werden dadurch gelungene Kinder sein! Dies war der Köder, und er erklärt, wie Leute dazu gebracht wurden, eine solch offensichtlich unmenschliche Form des Götzendienstes durchzuführen; es lohnt sich, ein Kind für die anderen Kinder zu opfern, damit diese sich zu guten Menschen entwickeln sollen. Dies ist die originelle und einzigartige Begründung für diesen Brauch.

Was hat dies mit uns zu tun? Heute gibt es keinen Molech; wir haben nie solch einen verrückten götzendienerischen Brauch erlebt. Wichtiger noch: der biblisch vorhandene Jezer Hara (böse Trieb) für Awoda Sara ist beseitigt worden. Der Talmud sagt, dass die Anschej Knesset Hagedola (die 120 Männer der grossen Synode) den Jezer Hara für Awoda Sara aufhoben [Joma 69b].

Vor einiger Zeit habe ich einen sehr interessanten Artikel von Rabbi Henoch Plotkin gelesen. Er weist daraufhin, dass es zwar keinen Molech mehr gibt und niemand sein Kind mehr durch ein Feuer führt, dass wir jedoch leider manchmal Molech praktizieren. Wie ist dies möglich? Manchmal sind Eltern bereit, ein Kind um der anderen Geschwister willen zu opfern!

Es gibt keine Garantien im Leben, und wir können unsere Kinder nicht auswählen. Wir wollen alle, dass jedes unserer Kinder zu einem brillanten Menschen, ein grosser Tora-Gelehrter und evtl. der nächste Gadol Hador wird. Nicht alle Kinder sind jedoch dazu fähig. Manchmal gehört ein Kind in eine Schule, die nicht erstklassig, eine Jeschiwa, die keine Elite-Hochschule und nicht einmal eine staatliche Jeschiwa ist. Er muss in eine dritt- oder viertklassige Schule oder Jeschiwa gehen, weil er nicht zu anspruchsvollem talmudischem Studium geschaffen ist. Manchmal müssen Eltern realisieren, dass nicht jeder Junge für ein intensives Jeschiwa-Programm geschaffen ist.

Und doch kommen Eltern manchmal zum Schluss, dass "unser Sohn in diese Schule oder Jeschiwa gehen muss". Denn wenn ich ihn in eine zweit- oder drittklassige Schule schicke, wird es für seine Geschwister schwierig sein, erstrebenswerte Ehepartner zu finden ("es wird ihre Schidduchim stören"). Obwohl diese Institution für ihn nicht die richtige ist und dieses Kind dort nicht erfolgreich, sondern elend sein wird, denken die Eltern, dass es sich lohnt, dieses Kind, um der anderen Kinder willen, zu opfern. "Ich muss Schidduchim machen, ich habe fünf Töchter!"

Er will damit ausdrücken – ist dies nicht eine moderne Version des Molech? Ist dies nicht dasselbe Verbrechen, ein Kind zu opfern, damit es für die anderen Kinder gut sein soll? Der moderne Mensch betrachtet das Ritual des Molech und sagt: "Wie können Menschen so verrückt sein? Wie konnten sie auf so etwas reinfallen? Wie konnten sie ein Kind opfern, weil es für die anderen Kinder gut sein würde?" Je mehr die Dinge sich ändern, desto mehr bleiben sie gleich. Natürlich sind wir nicht so primitiv, dass wir unsere Kinder verbrennen würden, aber wir opfern sie dennoch manchmal.

Das obenerwähnte Beispiel ist nicht das einzige. Es gibt viele Dinge, die wir nicht tun, weil wir uns fragen "Was werden sie sagen?" und "Welchen Einfluss wird dies auf die restliche Familie haben?" Auf dem Altar des "Wie werden die Leute dies ansehen?" opfern wir ein Kind oder mehrere Kinder – zum Wohl unserer anderen Kinder.

Dies ist eine schwierige Herausforderung und eine schwierige Situation, aber Schlomo Hamelech's weiser Rat lautet: "Chanoch leNa’ar al pi Darko - Erziehe ein Kind gemäss seiner Wesensart" [Mischlei 22:6]. Jeder zitiert diese Erfahrungsregel, aber wir lassen unseren Worten nicht immer Taten folgen. Es ist ein schönes Sprichwort, aber es hat in der Regel seinen Preis. Die Anwendung dieses Prinzips bedeutet, dass man dem Kind, das gibt, was dieses besondere Kind wirklich benötigt und nicht, was man sich für ihn oder sie vorgestellt hat.

Quellen und Persönlichkeiten:

Raschi (1040-1105) [Rabbi Schlomo ben Jizchak]; Troyes (Frankreich) und Worms (Deutschland); „Vater aller TENACH- und Talmudkommentare“.

Rambam, Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) (1135 – 1204); Spanien, Ägypten, Israel. Einer der bedeutendsten Rischonim, seine Hauptwerke sind: Das umfassende Werk zum jüdischen Recht „Mischne Tora-Jad Hachsaka“, Erklärung zur Mischna und „Moreh Newuchim (Führer der Irrenden / Unschlüssigen), wie weitere Werke.

Ramban: Rabbi Mosche ben Nachman – "Nachmanides" (1194 - 1270); Gerona, Spanien; Erez Jisrael; einer der führenden Toragelehrten (Rischonim) des Mittelalters, einer der Haupterklärer des Chumasch (fünf Bücher Moses), wie Verfasser weiterer Werke in Haschkafa (Kitwej haRamba“n) und Abhandlungen zum Talmud.

Rabbi Schlomo ben Awraham Aderet, nach seinen Initialen Raschba genannt (1235 - 1310); Barcelona. Er war ein spanischer Rabbiner und einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten seiner Zeit (Rischonim). Bevor er 40 Jahre alt war, galt der Raschba als führende Persönlichkeit im spanischen Judentum, und seine Meinungsäußerungen wurden weit über die Grenzen Spaniens hinaus respektiert. Aus allen Teilen der jüdischen Welt wurden Fragen an ihn herangetragen. Er schrieb über 11’000 Responsen!, die in «Teschuwot haRaschba» zusammengefasst wurden, jedoch existiert ein Teil von ihnen immer noch in Manuskriptform. Zusätzlich schrieb er Abhandlungen zu 20 Traktaten des Talmuds, wie auch «Torat Habajit» zur Halacha, etc.

 

Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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