Schewat/ Paraschat Beschalach

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Raw Frand zu Parschat Bamidbar 5763

Der Gradmesser für Frömmigkeit

Am Ende von Parschat Bamidbar erscheint folgender Passuk (Vers): "Lösche die Familie von Kehat nicht aus der Mitte der Leviten aus." [Bamidbar 4:18] Der Midrasch Rabba bemerkt zu diesem Passuk, dass es Aufgabe der Familie Kehat war, die heiligen Geräte zu tragen, wenn sich das Stiftzelt auf Wanderung befand. Sie waren die Zügelleute. Ihr Auftrag bestand unter anderem darin, die Menora, den Schulchan (Tisch derSchaubrote) und viele kleinere Geräte zu befördern. Insbesondere jedoch wusste jeder von der Famile Kehat, dass ihre wichtigste Aufgabe darin bestand, den Aron Hakodesch, die Bundeslade, zu tragen.

Alle hatten das Gefühl, dass diejenigen, welche den Aron trugen, die grössten Verdienste erwarben. Deshalb neigten sie dazu, alle anderen heiligen Geräte liegen zu lassen und zum Aron zu eilen. Dies führte zu Streit und Zerwürfnissen. "Du hast den Aron bereits das letzte Mal getragen. Diesmal ist die Reihe an mir, den Aron zu tragen!" Das Endresultat war übermässiger Leichtsinn ("Kalus Rosch") und die Abkehr von der Feierlichkeit und Ehrfurcht, die für das Tragen der heiligen Geräte geboten war.

Dieser ungebührliche Zustand führte dazu, dass die "himmlische Gerichtsbarkeit sie bedrängte" und Menschen getötet wurden. Aus diesem Grund warnt die Torah ausdrücklich vor der Vernichtung der Familie Kehat.

Ihr Eifer, den Aron zu tragen, war zwar sehr vorbildlich und edel; aus dem Wunsch, die "grössere Mizwa (Gebot)" erfüllen zu dürfen, entstand jedoch Streit und Entweihung des g'ttlichen Namens. Was war der Grund für dies alles? Oberflächlich gesehen, war es der Wunsch "zur Verherrlichung des g'ttlichen Namens" tätig zu sein.

Der "Mesilat Jescharim" erläutert anhand dieses Midraschs einen Sachverhalt, den er "ein wichtiges und grundlegendes Prinzip, wenn es um Frömmigkeit geht" nennt. Niemand kann auf den ersten Blick erkennen, ob eine Tat ein Akt der Frömmigkeit ist, oder nicht. Dies benötigt tiefes Nachdenken und genaue Prüfung. Anhand einem "Masstab der Frömmigkeit" müssen wir abwägen, ob bestimmte Tätigkeiten zu empfehlen sind oder eher davon abgeraten werden sollte.

Ein Mensch, der darüber nachsinnt "Was ist eine Mizwa?" oder "Welche gute Tat soll ich vollbringen?", kann keine schnellen Entscheide treffen. Nicht alles ist wirklich so, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Alle Kehathiten dachten: "Ich erfülle eine grosse Mizwa! Ich dränge mich vor, um meinen Bestreben zu zeigen, den Aron zu tragen!" Doch das, was ihnen als Mizwa erschien, entpuppte sich als schlimme Sünde und schreckliche Entweihung des g'ttlichen Namens.

Für diese Erscheinung gibt es zahllose Beispiele. Rav Ruderman szl. pflegte oft das folgende klassische Beispiel aus seinen Jugenderinnerungen zu erzählen: An Hoschana Rabba (6. Tag Sukkot) ist es vielerorts Brauch, dass der Chasan (Vorbeter) zum Mussafgebet einen weissen Kittel trägt. Es war einmal in Dalhiniv, als der Chasan sich anschickte, Mussaf zu dawenen. Man fragte den Schames (Synagogendiener): "Wo ist der Kittel?" ... Der Schames hatte den Kittel vergessen. Einer der Beter begann ihn anzuschreien: "Du Dummkopf! Du Idiot! Wie kannst du nur den Kittel an Hoschana Rabba vergessen?" Vor versammelter Gemeinde demütigte er den Schames. (Der Schames war dort, um es höflich auszudrücken, nicht gerade die angesehenste Person in der Synagoge.)

Rav Ruderman bemerkte, dass er dies damals als einen riesigen Skandal empfand. Der Schames wurde abwechslungsweise hochrot und kreidebleich. Man hatte ihn zutiefst erniedrigt. Warum? Wegen dem Brauch, dass ein Chasan gemäss Schulchan Aruch (Grundwerk der jüdischen Rechtslehre) während dem G'ttesdienst einen Kittel tragen sollte. Übers ganze gesehen gibt es jedoch keinen Vergleich zwischen der verpassten Möglichkeit, diesem Brauch nachzukommen, und der Sünde, einen anderen Juden öffentlich vor der ganzen Gemeinde zu beschämen. All nur um des "Kitteltragens" willen.

Der Mesilat Jescharim will uns folgendes lehren: Es ist gar nicht einfach herauszufinden, ob eine Handlung ein Akt der Frömmigkeit ist, oder nicht. Jedermann muss genau abklären, was wichtig ist und was nicht.

Rav Pam bringt weitere Beispiele für diesen Gedanken. Ein frisch verheirateter junger Mann, der im Kollel (jüdisches Lehrhaus) lernt, kam jeden Abend um 18.00 nach Hause zum Nachtessen. Seine junge Frau bereitet das Essen vor und wartet besorgt auf seine Heimkehr. Es wird 18.15. Es wird 18.30. Es wird 19.00. Zu dieser Zeit ist das Essen bereits kalt und ausgetrocknet. Die Frau ist niedergeschlagen. Um 19.30 marschiert der junge Ehemann schliesslich in die Wohnung und erzählt seiner Frau: "Jemand benötigte einen Transport zum Flughafen und ich brachte ihn hin - ich erfüllte einen Chessed (eine wohltätige Handlung)!"

Rav Pam fragte: "War dies wirklich Chessed?" Ja, gegenüber dem Reisenden war es Chessed. Aber wenn jemand weiss, dass seine Frau ein Abendessen für ihn vorbereitet hat und sie enttäuscht oder sogar niedergeschlagen sein wird, wenn das Essen kalt wird oder verdirbt, wenn er endlich erscheint - IST DIES KEIN CHESSED. Dies ist ein weiteres Beispiel für die "Gewichtung der Frömmigkeit" - Prioritäten, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen, um herauszufinden, was wahrer Chessed ist und was wahrlich kein Chessed ist.

Ein weiteres klassisches Beispiel dieses Phänomens ist die Begebenheit mit dem Wischnitzer Rebbe szl.: Es gibt Menschen, die den Brauch haben am Erev Pessach (Vortag von Pessach) Mazzot zu backen. Beim Mazzabacken an Erev Pessach muss man ausserordentlich exakt und aufmerksam sein, weil in diesem Moment die Nichtigkeitserklärung des Gesäuerten ("Bitul Chamez") nicht mehr wirksam ist.

In dieser Mazzabäckerei gab es eine Frau, die etwas gemächlich arbeitete. Einer der Chassidim schrie sie an. Als der Rebbe ihn tadelte, weil er wütend geworden und der Frau ein schlechtes Gefühl vermittelt hatte, wehrte sich der Chassid: "Aber Rebbe, schon die kleinste Menge ("be'ma'schehu") von Chamez ist verboten!" Daraufhin antwortete der Rebbe, dass die kleinste Menge von Zorn (ein "ma'schehu Ka'as") noch schlimmer ist als die kleinste Menge von Chamez.

Das ist das "Mass für Frömmigkeit": Wir müssen genau abwägen, was richtig und was falsch ist und sollten alles aus der richtigen Perspektive betrachten. Es ist möglich, dass wegen dem Eifer, den Aron zu tragen, die Menora, der Schulchan und die anderen heiligen Geräte geringschätzig behandelt wurden. Es ist möglich zu verursachen, dass Menschen hinweggerafft werden - aus lauter Eifer, den Aron zu tragen.


Quellen und Persönlichkeiten:
Rav Mosche Chajim Luzzatto [der "RaMCHaL"] (1707 - 1747): Rabbiner und Gelehrter, sein Hauptwerk ist das Buch "Mesilat Jescharim" ("Weg der Rechtschaffenen"); Padua, Amsterdam, Israel.
Rav Ruderman (1901 -1987): Früherer Rosch Jeschiwa der Jeschiwa Ner Israel (in der Rav Frand lehrt) in Baltimore, USA.
Rav Avraham Pam (1913 - 2001): Führender Gelehrter; Rosch Jeschiwa; Brooklyn, New York.
Rabbi Jisrael Hager (1860 - 1938) [Wischnitzer Rebbe]: Chassidischer Rebbe und Buchautor.



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