Was es kostet, vorzugeben, ein Gott zu sein - (Raw Frand Wa'era 5780 - Beitrag 2)

Was es kostet, vorzugeben, ein Gott zu sein

Versucht man, ein Treffen mit einem beschäftigten Parlamentarier zu vereinbaren, liegt die Schwierigkeit manchmal darin, herauszufinden, „Wo kann ich ihn erreichen?“ G’tt sagte zu Mosche, wo er Pharao „erreichen“ konnte: „Geh’ zu Pharao des Morgens, sieh’ er geht ans Wasser hinaus, …“ [Schemot 7:15] Raschi gibt uns die nötige Hintergrundinformation zu diesem Verhalten des ägyptischen Monarchen: „Wenn er eben ans Wasser hinausgeht, um sich zu erleichtern.“ Pharao gab vor, ein Gott zu sein, und behauptete, sich nicht erleichtern zu müssen. Darum stand er früh auf und ging zum Nil, um dort seine Notdurft zu erledigen.

Pharao vergötterte sich selbst. Ein Hauptunterschied zwischen Göttern und Menschen ist, dass Götter kein Badezimmer benützen müssen. Pharao hatte darum ein Problem. Wenn er ein Badezimmer gehabt hätte, dass allen bekannt gewesen wäre, hätten die Menschen gemerkt, dass er kein Gott war. Aus diesem Grunde hatte Pharao eine morgendliche Routine. Früh morgens begab er sich, wenn ihn niemand sah, zum Nil und verrichtete dort seine Notdurft. Das war es für den Rest des Tages!

Es gab bestimmt Momente, an denen „einmal am Tag“ nicht genügte. Dies bereitete Pharao bestimmt viel Sorge und beunruhigte ihn. Zumindest manchmal musste er sich fragen, ob sich das ganze Spiel lohnte. Sogar, wenn die Menschen merkten, dass er kein Gott war, so war er doch ein allmächtiger Herrscher. Er war ein König der alten Welt, der „Kopf ab“ sagen konnte. Ob er ein Gott war oder nicht, war nicht wirklich wichtig. Unabhängig davon war er ein absoluter Monarch.

Warum musste Pharao trotzdem tagtäglich dieses „Spielchen treiben“? Es brachte ihm wenig zusätzlichen Respekt oder Bewunderung ein. Rav Chajim Schmulewitz sagt, dass die Menschen wegen ihrem Kawod (Ehre) so närrisch werden. Menschen kasteien sich selbst, nur damit sie ein klein wenig Kawod erhalten. Im Falle Pharaos ging es darum, dass sie denken sollen, er sei ein allgegenwärtiger Mensch oder ein allgegenwärtiger Gott. Wegen diesem bedeutungslosen Unterschied, der Pharao nichts wirklich nützte, bereitete er sich selbst tagtäglich Unbehagen. Das ist die verblendende Kraft von Kawod.

Der Birkat Mordechai (Rav Mordechai Esrachi) benützt diese Erkenntnis dazu, eine sehr bekannte Frage zu beantworten, die viele Erklärer stellen. Mosche Rabbejnu sprach zu    G-tt:

„Siehe, die Kinder Israels haben nicht auf mich gehört, wie sollte Pharao auf mich hören, da meine Lippen doch wie verschlossen sind.“ [Schemot 6:12] Dies ist eine der zehn biblischen Beispiele des talmudischen Prinzipes: Kal wa’Chomer (logischer Schluss vom Leichteren auf das Schwerere). Wenn die Kinder Israels ihm nicht zuhörten, für die, die Worte „ihr werdet aus Ägypten hinausgehen“ eine Rettung bedeutete, wieviel mehr würde dann Pharao, der nur mit Widerwillen zuhören würde, diesen Worten keine Beachtung schenken.

Da der Passuk selbst erklärt, warum die Kinder Israels Mosche nicht zuhörten – „aus Kleinmut und ob der schweren Arbeit“ [Schemot 6:9] – bemerken alle Kommentare, dass dies doch kein gültiges Kal wa’Chomer sei. Da diese Belastung auf Pharao nicht zutraf, würde er vielleicht doch auf Mosche hören. Das Kal wa’Chomer wird somit ungültig.

Rav Mordechai Esrachi behauptet, dass dies doch ein gutes Kal wa’Chomer sei. Bestimmt war der Klal Israel sehr beschäftigt und konnte wegen der schweren Arbeit Mosche nicht zuhören. Pharao konnte aber auch nicht zuhören. Er hatte eine fürchterliche Besessenheit und einen schrecklichen Druck. Er ging den ganzen Tag herum und „spielte“ Gott bis zu dem Ausmasse hin, dass er sogar seine Badezimmergewohnheiten kontrollieren musste, um seinem „Spiel“ gerecht zu werden. Diese Ablenkung war mindestens so stark wie diejenige, die Klal Israel hatte. Somit war das Kal wa’Chomer eine gültige und logische Folgerung.

Quellen und Persönlichkeiten:

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Die Bearbeitung dieses Beitrages erfolgte durch Mitarbeiter des Jüfo-Zentrums in Zürich

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